Die Nachricht kam nicht überraschend. Vor wenigen Tagen hatte die Familie von Sänger/Schlagzeuger Levon Helm im Internet mitgeteilt, dass der Musiker Krebs im Endstadium habe. Am 19. April ist er im Alter von 71 Jahren verstorben.
„Woodstock“ – einer der mythischen Orte der Musikgeschichte. Klar doch „Three Days of Peace and Music“, Jimmy Hendrix macht klar, dass amerikanische Ideale und Krieg schlecht zusammenpassen, Santana und Joe Cocker sind plötzlich weltweite Stars. Janis Joplin war betrunken. Und auch The Band trat auf. Doch das geriet in Vergessenheit, da sie aus Gründen des Lizenzrechts nicht im Film und auf den ursprünglichen Soundtrackalben des Festivals vertreten waren. Aber das ist nicht wirklich Woodstock.Das ist hundert Kilometer entfernt von der Stadt im Bundeststaat New York.
Woodstock, der Ort mit dem Keller, wo Bob Dylan gemeinsam mit The Band sich selbst und die amerikanische Rockmusik neu definierte. Und gleichzeitig fand dabei The Band zu ihrem Sound und ihren Songs, die dann auf dem Debüt „Music from Big Pink“ und „The Band“ für weltweite Begeisterung sorgten. Das ist Woodstock, ebenso auch wie die legendären Sessions, die Levon Helm Jahre nach dem Ende der Band in seiner Scheune veranstaltete. Und Plattenaufnahmen wie seinerzeit mit Muddy Waters oder später mit allen möglichen anderen Musikern.
Es braucht nur die ersten Töne von „Ophelia“, dem Opener des 2011 erschienenen Live-Albums „Ramble At Ryman“, um einen sofort wieder in der frühen 70er Jahre zu schicken: Es ist nicht nur der Song von The Band. Es ist vor allem noch immer diese Stimme von Levon Helm, die die Zeiten überdauert hat. Es ist dieser Groove irgendwo aus den Grenzlanden von Stax und Woodstock, der so ganz anders ist, als die meisten heute mit mehr Kraft als Feeling und Stil dahin getrommelten Rhythmen. Und es ist eine Feier der verschiedensten Musikstile Amerikas zwischen Jazz, Soul, Country und Rock. Und genau dieser Musik ist Levon Helm immer treu geblieben, was ihn zu einem der wichtigsten Musiker für die Americana-Szene der letzten Jahre gemacht hat. Nein, Levon Helm mag nicht als der große Songschreiber in die Geschichte eingehen – schon bei The Band waren Robertson und Manuer stärker. Doch er war definitiv das Herz und die Seele der Band. Und hier – 2008 aufgenommen – brachte er das nochmals auf den sprichwörtlichen Punkt.
Mit Alben wie „Dirt Farmer“ oder „Electric Dirt“ hatte er vorher endlich wieder Alben aufgenommen, die genau das auf den Punkt brachten, wofür The Band damals bekannt und beliebt waren. Es sind Lieder über das Amerika der Gegenwart fern der glitzernden Metropolen, immer auch Ausflüge in die mythisch-dunkle Geschichte der Staaten. Es sind Songs – traditionelle und neuere – vor allem aus dem Süden, wo Levon Helm trotz des Umzugs nach Woodstock immer verwurzelt blieb. Manche Kritiker möggen ihm vorgeworfen haben, dass er sich damit an den von Cash und anderen gestarteten Trend angehängt hat, sich im Alter wieder auf seine musikalischen Wurzeln zu besinnen. Doch wenn man hört, mit welcher Leidenschaft er sich durch die Lieder trommelt und singt, dann wird klar, dass er genau das gebraucht hat. Nicht nur, um den jahrelangen Kampf gegen den Krebs für sich abzuschließen, der ihn fast der Stimme beraubt hätte. Nein – Electric Dirt und Dirt Farmer sind Dokumente einer glücklichen Heimkehr.
Als jetzt die Todesnachricht durchs Internet ihre Kreise zog, da war überall der Schmerz zu spüren in den Kommentaren: Hier ist wirklich nicht nur ein Musiker gestorben. Sondern ein Mensch, der der Musik Herz und Seele geben konnte.