<img class=" alignleft size-full wp-image-3807" alt="Johnny Childs" src="https://wasser-prawda.de/wp-content/uploads/2012/01/childs_fu.jpg" style="width: 233px; height: 400px; float: left; margin: 5px 10px;" width="558" height="960" />Der New Yorker Gitarrist und Filmemacher Johnny Childs startete eine Initiative für einen weltweiten Tag des Blues. Die „Wasser-Prawda“ sprach mit ihm über die Notwendigkeit eines solchen Gedenktages aber auch über die Bedeutung der Blues Music Awards für unbekannte Musiker und über<br /> Tommy Castro.</p> <!--more--> <p> Johnny Childs ist ein äußerst aktiver Mensch. Mit <a href="https://wasser-prawda.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6534:johnny-childs-groove&catid=18:blues&Itemid=1201" target="_blank">„Groove“</a> hat er 2011 ein wirklich beeindruckendes Album veröffentlicht, bei dem besonders seine einzigartige Gitarre herausstickt. 2010 kam nach neun Jahren Arbeit sein Dokumentarfilm „The Junkman‘s Son“ heraus, der auch äußerst amüsante Weise schildert, wie er verzweifelt versucht, im Blues-Business Fuß zu fassen und. Der Streifen begleitet ihn durch die sechs Monate vor seinem 30. Geburtstag. Bis zu dem Tag, so hat er es sich vorgenommen, will er einen ordentlichen Plattenvertrag bekommen. Und danach kommt dann folgereichtig der Blues Music Award als „Best New Artist“. So jedenfalls die Geschichte des Films.</p> <p> <iframe allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/rAfb-fcJuWs" width="420"></iframe></p> <p> Die Realität sieht für Johnny Childs allerdings nicht so rosig aus. Wie eigentlich für viele großartige Blues-Musiker. Und doch vergeht kaum ein Tag, an dem Childs nicht bei Facebook für seine Petition zur Einführung eines Weltweiten Bluesmusik-Tages wirbt. In einem Interview meinte er mal, warum sollte man in einer Welt leben, wo es selbst für Linkshänder einen Gedenktag gibt, aber nicht für Amerikas wohl wichtigsten Beitrag zur weltweiten Musik. Eine Formulierung, die er bei der Beantwortung unserer Fragen allerdings nicht nochmal verwandte.</p> <p> <em>Warum braucht die Welt eigentlich einen International Blues Music Day?</em><br /> <br /> Für Ihre Frage verweise ich Sie am besten auf die Beschreibung unserer Facebook-Gruppe: Es geht darum, das reiche Erbe, die Tradition und die Zukunft des Blues, dieser großen amerikanischen Kunstform und weltweit bekannten Musiksprache zu feiern, zu fördern und zu bewahren.<br /> So eine Feier hat gleichzeitig eine kollektive und eine individuelle Bedeutung und hat das Potential, eine Menge Leute zu vereinigen. Und so wie der legendäre Schmetterling große Auswirkungen mit seinem Flügelschlag haben kann, kann so ein Gedenktag, der für viele Menschen in aller Welt etwas bedeutet, auch in aller Welt etwas bewirken. Ich als Musiker kann erhobenen Hauptes die Straße heruntergehen und zumindest ein einem Tag mit Stolz verkünden: Ich bin ein Blues-Musiker!<br /> Nicht, dass ich nicht immer stolz darauf wäre, aber das ist nur ein Beispiel für eine geringe Wirkung auf ein Individuum. Wenn Dutzende oder Hunderte von Veranstaltungen in aller Welt an einem einzigen Tag stattfinden, die den Blues feiern, dann sind die Wirkungen ungleich größer.</p> <p> <iframe allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/IDg1W6x04C8" width="420"></iframe></p> <p> <em>Und woher stammt die Idee dafür?</em><br /> <br /> Die Idee kam mir, als der US-Kongress 2003 zum „Jahr des Blues“ erklärte. Ich wollte diese schöne Idee quasi durch einen jährlichen Feiertag verlängern. Und in Zeiten des Internet ist es ja ein Kinderspiel, das Projekt international anzugehen. Musiker und Fans sind sowieso schon weltweit vernetzt. Und der Gedenktag sollte dies auch widerspiegeln. Gemeinsam wollen wir – Musiker und Fans – unseren Teil dazu beitragen, das Wissen über die Ursprünge, Pioniere und Legenden des Blues in den USA zu fördern, der inzwischen überall auf der Erde gehört und geliebt wird.</p> <p> <em>Was passiert, wenn die von Ihnen gegründete Facebook-Gruppe die angestrebte Zahl von 10000 Mitgliedern erreicht hat? Zur Zeit gehören ja schon mehr als 8000 Musiker, Fans und andere dazu.</em><br /> <br /> Das erste, was wir tun ist, Gespräche mit Leuten in der Musikindustrie und anderen Fachleuten und Institutionen zu führen, um den bestmöglichen Termin für den Gedenktag zu finden. Die endgültige Abstimmung über den Tag wird dann die Facebook-Gruppe beschließen. Und sobald das Datum steht, soll unverzüglich mit den Vorbereitungen begonnen werden, Veranstaltungen und Programme für den ersten International Blues Music Day zu organisieren oder zu unterstützen. Hoffentlich wird es zu dem Tag an möglichst vielen Orten und in möglichst vielen Ländern auf der ganzen Welt Konzerte oder andere Veranstaltungen stattfinden. Aber erst wenn das Datum steht, werden wir wirklich überblicken, welche Aufgaben dann anstehen.</p> <p> <em>Wie haben Organisationen wie die Blues Foundation ihre Idee aufgenommen? Und haben Sie schon Partner in Europa oder speziell in Deutschland? Denn ich hab bislang in den hiesigen Medien nichts über den Blues Music Day finden können.</em><br /> <br /> Wir haben Glück, dass Blues-Radio-Shows auf der ganzen Welt unsere Ankündigung senden. In der Presse der USA und Europa wurde schon darüber geschrieben. Und ich hab selbst schon in einigen Radiointerviews darüber gesprochen. Aber eigentlich warten wir jetzt erst einmal darauf, die 10000 Mitglieder zu bekommen, um die Dinge auf das nächste Level zu heben. Dies ist Graswurzelbewgung von der Basis aus, wo die Zusammenarbeit von Musikern, Fans und Unterstützung beginnt. Wir hoffen, dass auch weiterhin die Mundpropaganda so gut funktioniert. Die 8000 Leute in der Facebook-Gruppe sind schon eine kritische Masse von Fans.<br /> Und vor allem ist auch ein Großteil der Musikindustrie dabei und wartet darauf, bei der Mobilisierung zu helfen, wenn wir bereit sind. Auch gehören schon drei Viertel der Vorstandsmitglieder und tausende Mitglieder der Blues Foundation dazu. Ich denke, wir können also davon ausgehen, dass die sie die Idee zumindest im Geiste unterstützt. Aber offizielle Gespräche mit solchen wichtigen Institutionen werden erst nach Erreichen der 10000er Grenze beginnen. Die gute Nachricht allerdings ist: 80 Prozent haben wir schon erreicht.</p> <p> <em>Und wie sind die Reaktionen aus der Musikindustrie?</em><br /> <br /> Gerade von Seiten der Musikindustrie wird unsere Initiative auf breiter Basis unterstützt und erzeugt eine Menge Aufregung. Jeder dort kennt die Bedeutung und den Einfluss des Blues auch in der Rockwelt. Warum sollte man dagegen sein? Ich wüsste nicht, warum jemand gegen den Plan sein sollte, wenn er nicht ein ausgesprochener Blues-Hasser ist. Und diese haben in den meisten Fällen nur noch nicht den richtigen Blues gehört und daher sind auch sie willkommen.</p> <p> <em>Nachdem Anfang Dezember die Nominierungen für die Blues Music Awards bekannt gegeben wurden, reagierte Johnny Childs mit der Veröffentlichung eines witzigen Videos, mit dem er sich darüber beklagte, dass weder seine DVD „The Junkmans‘s Son“ noch sein aktuelles Album „Groove“ eine Nominierung erhielten. </em></p> <p> </p> <p> <em>In Ihrem Video haben sie Tommy Castro zu einem Gitarrenduell herausgefordert. Dieses Duell würde ich gerne sehen. Und ich weiß nicht, wie gut Castro dabei abschneiden würde. Bei dem Duell soll es um seine vier Nominierungen für die Blues Music Awards 2012 gehen. Bei der Nominierung waren Sie leer ausgegangen. Was bedeuten diese Preise – oder auch schon die Nominierungen dafür – für einen Blues-Musiker? Und wer beschließt eigentlich diese Nominierungen?</em><br /> <br /> Eigentlich wollte ich darüber gar nicht sprechen. Aber ich will zumindest eine Erklärung versuchen, besonders da ich bislang alle Anfragen zu der Herausforderung unbeantwortet gelassen habe.<br /> <br /> Ich will mich auf keinen Fall ein Gespräch darüber einlassen, wie man das Nominierungsverfahren für die BMA fairer gestalten könnte, auch wenn ich dazu schon eine klare Meinung habe. Denn das würde davon ablenken, dass die Blues Foundation eine wirklich gute Arbeit und sehr viel für den Blues macht. Wahrscheinlich tut sie dafür mehr als jede andere Organisation auf dem Planeten. Dafür bewundere und unterstütze ich sie wirklich.<br /> <br /> Ich will auch nicht verbittert erscheinen, denn ich bin es einfach nicht. Ich bin lediglich ein wenig frustriert wegen der Erfahrung mit meinen zwei für die Awards eingereichten Projekten. Diese Frustration hab ich in künstlerischer Form geäußert in dem Video, wo ich Tommy Castro zum Gitarrenduell herausforderte.<br /> <br /> Also was bedeutet es, einen dieser Preise zu gewinnen? Zuallererst: Eine große Menge der Nominierten und der bisherigen Preisträger waren und sind schon Blues-Promis. Für die ist es einfach eine große Ehre, einen dieser prestigeträchtigen Preise zu erhalten.<br /> <br /> Für Bluesmusiker, die noch nicht so etabliert sind, kann eine Nominierung für die Preise buchstäblich die Karriere bedeuten. Sie kann dazu führen, dass die aktuelle oder die nächste CD einen ordentlichen Vertrieb bekommt, dass ein großartiger Booking-Agent sich um deine Tourneen kümmert, dass Unterstützung von Plattenfirmen oder Managern kommt oder dass Du zu wichtigen Festivals eingeladen wirst. Sie kann dich endlich auf die Landkarte setzen.<br /> <br /> Meine Frustration war nicht einfach, dass da eine weitere Blues-CD von einem anderen Künstler in einem anderen Jahr eingereicht und nominiert wurde. Ich habe neun Jahre damit verbracht, den abendfüllenden Film „The Junkman‘s Son“ zu produzieren und zu schneiden. Das ist eine äußerst aktuelle Dokumentation über den Blues und mit nichts zu vergleichen, was in dem Bereich jemals getan wurde. Und ich habe den Film gegen alle Widerstände fertiggestellt. Alle DVDs, die Nominierungen bekamen, sind Live-Shows von Bands. Ich habe einen von der Kritik gefeierten Dokumentarfilm eingereicht und ging leer aus. Das war einfach nur seltsam.<br /> <br /> Ich reichte außerdem meine von Dutzenden Rezensenten (einschließlich in Ihrem feinen Magazin) gepriesene CD „Groove“ ein. Und die Nominierten in meiner Kategorie waren fast alle Sängerinnen, von denen einige noch nicht mal ein Instrument spielen. Das war auch seltsam.</p> <p> <iframe allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/A0hqHbblRSQ" width="420"></iframe></p> <p> Und dann ist da Tommy Castro, der eine CD einreichte und gleich vier Nominierungen bekommt. Um meine Video-Reaktion und die Duell-Herausforderung zu verstehen, müssten Sie meinen Film sehen. Und um zu verstehen, weshalb ich gerade Tommy Castro herausforderte, muss man einfach den Hintergrund noch ein wenig klarer machen. Castro hat nicht nur vier Nominierungen für die BMA 2012 erhalten, er gewann bereits 2010 sechs dieser Preise. Und für mich bedeutet das: Tommy Castro ist für die Branche einfach der Goldjunge, der Champion. Und so wie ein Kämpfer immer nach dem Meistergürtel strebt, fordere ich halt den Goldjungen des Blues heraus und sage: Ok, hier bin ich angeschmiert worden. Aber eigentlich sollte meiner Meinung nach der, der besser spielen kann, der Goldjunge sein. Genug davon. Das ganze war mehr ein Statement, ein künstlerischer Ausdruck für das Gefühl, übersehen zu werden.</p> <p> {pgslideshow id=13|width=640|height=480|delay=3000|image=L|imageordering=9}</p> <p> Um das klarzustellen: Ich respektiere Tommy Castro‘s Talente und seine Erfolge. Aber ich lasse mich nicht einfach ignorieren! Und ich war 2010 im Memphis und hab mich riesig für ihn gefreut, als er die sechs Awards erhielt. Ich war stolz auf ihn und hätte ihn am liebsten auf die Schultern gehoben und wäre mit allen anderen gemeinsam um das Convention Center getanzt. Er hat uns alle stolz gemacht. Aber ich weiß auch dies: Wenn es um den Blues geht, ist Tommy zwar toll, er sorgt für Aufmerksamkeit für diese Musik und wird von vielen verehrt. Aber ich weiß auch, dass ich das größere Talent bin. Hätten sie mir nicht für meine CD oder meinen Film wenigstens eine Nominierung zuwerfen können? Ich meinte eigentlich, die 100 anonymen Personen, die für die Nominierungen abstimmen dürfen, hätten meine Arbeit wenigstens wahrnehmen müssen. Ich dachte eigentlich, dafür wären sie verantwortlich, aber sie haben mich enttäuscht. So war meine Video-Reaktion ein Ausdruck dieser Enttäuschung und nicht etwa eine Aussage wie: Tommy Castro verdient seinen Erfolg nicht. Er hat ihn sich redlich verdient, aber ich lasse mich nicht einfach ignorieren.<br /> <br /> Ich habe einfach zu lange, zu hart und vedammt noch mal auch gut, um einfach von der Industrie ignoriert zu werden. Ich hoffe natürlich, dass Tommy Castro meine freundliche Herausforderung annimmt, aber egal: Ich werde nie aufhören, die die Türen der Musikindustrie zu hämmern, bis ich auch 200 Konzerte im Jahr spielen kann wie er. Und die Blues Music Awards: Ich liebe sie noch immer und werde sie weiterhin unterstützen. Jetzt ist es zwar vorbei. Aber ich bin o.k, denn ich weiß, es wird immer wieder ein nächstes Jahr geben. Und ich werde es dann gerne erneut versuchen.<br /> <em>(Fragen und Übersetzung: Raimund Nitzsche)</em>