Ein Lied wie ein verzweifelter Hilfeschrei: eine Frau singt sich all ihren Frust, ihre Einsamkeit und ihre Sehnsucht nach Liebe von der Seele. In den 60ern war es eine Sensation, dass eine weiße Frau derartig intensiv den Blues sang und ihn gleichzeitig bis zum bitteren Ende lebte.

Zweifellos muss die texanische Rocksängerin Janis Joplin (1943-1970) zu den bedeutendsten Blueskünstlern dieses Bundesstaates gerechnet werden. Zu ihren Einflüssen zählt sie Leadbelly, Mance Lipscomb, Odetta, Bessie Smith und Big Mama Thornton. Ihre expressive Art des Gesanges geht über das zu diesem Zeitpunkt im Blues Bekannte weit hinaus. Janis Joplin beweist nicht nur mit ihrer eigenwilligen Coverversion von Big Mama Thorntons ”Ball And Chain“ ihr großes Können auf dem Gebiet des Blues.

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Geboren wurde sie am 19. Januar 1943 als behütetes Mittelstandskind in der Ölstadt Port Arthur. Schon zeitig versuchte sie sich an Malerei und dem Schreiben von Gedichten. Da sie in ihrer Kindheit oft allein war, wandte sie sich früh Kunst und Gedichten zu. 1958 hatte sie ihren ersten Auftritt mit Folk und in einer lokalen Kneipe.

”Ich brauche Freiheit,und ich nehme sie mir!“

Mit diesem Motto wird Janis in der Schule zur Außenseiterin und leidet darunter. Als sie 16 ist, freundet sie sich einer Truppe von ”Beatniks“ an. Die Beatniks rebellieren gegen die Gesellschaft und die Diskriminierung von Farbigen. Janis fängt an zu trinken, feiert Parties und schwänzt die Schule. Und sie entdeckt die schwarze Musik. Wenn sie den Blues singt, hat sie das Gefühl, aus dem weißen Leben auszubrechen.

”Ich lasse meine Gefühle für mich arbeiten“, sagt sie. ”Ich stecke alles, was ich habe in die Songs.“

Nachdem sie 1960 ihren High-School-Abschluss bestanden hatte, ging sie im Alter von 17 Jahren von zu Hause fort, um Sängerin zu werden. Sie versuchte sich auch an einigen Colleges, brach aber den Besuch immer vorzeitig ab. Ein Jahr später hatte sie ein wenig Geld verdient und zog in die Hippiekolonie Venice bei Los Angeles. Die Hippies experimentieren mit Drogen, Alkohol und freiem Sex. Janis bleibt und probiert alles: nimmt Speed, trinkt exzessiv und schläft mit Männern und Frauen. Gelegentlich jobbt sie und tritt in Bars auf. Aber nach vier Jahren hat sie das Gefühl, alles in ihrem Leben laufe falsch. So kehrt sie 1965 zu ihren Eltern zurück. Sie geht aufs College, aber das Studium erscheint ihr hohl und anspruchslos.

Doch dann wurde sie von der Band [[Big Brother And The Holding Company]] aus San Francisco eingeladen, als Sängerin einzusteigen. Als sie 1966 nach Frisco zog und sich der bei Hippies beliebten Band anschloss, begann ihre eigentliche Karriere.[i]{test}[/i]

Ihren Durchbruch hatte sie 1967 beim Monterey Pop Festival, wo sie neben Otis Redding und Jimi Hendrix zu den größten Sensationen gehörte. Janis’ Auftritte sind mehr als Konzerte. ”Sie ist wie eine explodierende 1000-Watt-Birne“, sagt eine Freundin und ein Fan schwärmt: ”Sie ist wie wir. Ich habe sie nie getroffen, aber ich kenne sie. Wenn man sie hört, ist es, als ob man seinen Körper verlässt.“ Mit Liedern wie ”Me an Bobby McGhee“ und ”Try“ wird Janis zur Göttin der Hippie-Bewegung. Auf einem Konzert erscheint sogar Paul McCartney, und Janis schreibt an ihre Eltern:

”Gottogott, ich war völlig fertig. Wenn ich gewusst hätte, dass er da ist, wäre ich von der Bühne gesprungen.“

1968 veröffentlichen Janis und Big Brother ihre zweite LP ”Cheap Thrills“ mit Songs wie ”Down on Me“ und ”Catch Me Daddy“. Das Cover der Platte wurde von dem angesagten Underground-Zeichner Robert Crumb gestaltet. Schon nach drei Tagen wird das Album vergoldet. Das Management hatte da schon der berühmt-berüchtigte Albert Grossmann übernommen. Und Janis war zu dem Zeitpunkt nicht nur vom Alkohol sondern erstmals auch schon vom Heroin abhängig. Diese Sucht wird sie immer wieder bekämpfen. Doch diesen Kampf verliert sie letztlich.

Ende 1968 trennte sich Joplin von Big Brother und stellte zusammen mit ihrer Plattenfirma eine größere Band zusammen, die lange keinen Namen trug, aber nach dem folgenden Album Kozmic Blues Band genannt wurde. Der Grund dafür war der Ehrgeiz von Janis Joplin, mit einer professionellen Band mit Funk- und Blues-Instrumenten neue Musikrichtungen zu erschließen und nicht zuletzt professioneller zu arbeiten. Dies wurde unter anderem von der Musikzeitschrift ”Rolling Stone“ als Verrat an den Idealen der Rockmusik empfunden. Tatsächlich lief die Zusammenarbeit in der neuen Band nicht sehr gut, da sich die Musiker nicht kannten und Janis Joplin hohe Anforderungen (menschlich wie musikalisch) an die Musiker stellte. Die ersten Shows unter anderem in der Soul-Hochburg Memphis waren wegen der zu kurzen Probenphase nicht gut und wurden zu Recht verrissen. Der Auftritt beim Woodstock-Festival 1969 zählt wiederum nicht zu den Höhepunkten von Janis Karriere. Offensichtlich war sie dort nicht nur ein wenig alkoholisiert. So wurden die Lieder ihres Auftritts erst nach 25 Jahren veröffentlicht. Doch bei der Europatournee 1969 zeigten sich Sängerin und Band in absoluter Hochform und wurden entsprechend gefeiert.

  1969 trat Janis Joplin im Fernsehen bei Ed Sullivan und Dick Cavett auf. Die Interviews mit Dick Cavett sind auf dem posthum veröffentlichten Album ”Janis“ verewigt und lassen Intelligenz, Witz und Tiefsinnigkeit von Joplin erahnen.

Im Januar 1970 löste sich die Kozmic-Blues-Band nach Veröffentlichung des Albums ”I Got Dem ’Ol Kozmic Blues Again, Mama“ auf. Um von ihrer Sucht nach Alkohol, Aufputschmitteln und Drogen los zukommen, plante Joplin einen Urlaub in Südamerika und reiste zum Karneval nach Rio de Janeiro.

Zurück in Kalifornien nahm Joplin ihren unsteten Lebenswandel wieder auf. Im April 1970 wurde ihre dritte Band, Full Tilt Boogie zusammengestellt. Diese stellte sich für sie als Glücksgriff heraus. Emotional und musikalisch harmonierte dieses Team. Janis Joplin schien endgültig ihren Stil gefunden zu haben. Die Lieder mit der Full Tilt Boogie Band sollten ihre erfolgreichsten werden.

Doch Janis trinkt immer exzessiver, oft hält sie in der einen Hand das Mikro, in der anderen das Whiskey-Glas. Ein Reporter fragt: ”Bist du glücklich?“, und Janis weicht aus: ”Ich bin ganz oben.“ Ihrer Schwester vertraut sie an: ”Ich will bloss ein bisschen Frieden.“ Bald probiert sie das erste Mal Heroin.

”Mir passiert schon nichts, ich komme aus einer zähen Familie“, glaubt sie. Aber die Droge hinterlässt ihre Spuren. David Niehaus, ihre große Liebe, verlässt sie deswegen, aber Janis schafft es dennoch nicht, von den Drogen loszukommen.

Joplin besuchte das Grab von Bessie Smith und ließ ihr einen Grabstein errichten. Kurz vor dem Ende der Studioaufnahmen zu ihrer dritten Columbia-LP, ”Pearl“ (ihr Spitzname) wurde Janis Joplin am 4. Oktober 1970 im Landmark Hotel in Los Angeles in ihrem Hotelzimmer tot aufgefunden. Die Todesursache soll eine versehentliche Überdosis Heroin in Zusammenwirkung mit zuvor getrunkenem Alkohol gewesen sein. Bei dem Titel ”Burried alive in the Blues“ auf dem Album ”Pearl“ fehlt die Vokal-Spur: Janis Joplin sollte sie am 5. Oktober 1970 einsingen.

Wunschgemäß vertranken 200 Freunde auf einer Party das hinterlassene Bargeld von 1500 Dollar. Janis Joplins Leiche wurde verbrannt und die Asche an der kalifornischen Küste in den Pazifik gestreut.