Ein paar Jahre war aus persönlichen Gründen von James Hunter kein neues Album erschienen. Jetzt zog es ihn samt Band ins Umfeld von Daptone. Rauher als sonst, auch tanzbarer – und noch immer wundervoll sind die Songs von „Minute By Minute“ geraten.

Nein, eine musikalische Revolution sollte man von James Hunter nicht erwarten. Längst hat der langjährige Gitarrist von Van Morrison seinen Stil gefunden: Klassischen Rhythm & Blues, Rocl & Roll und Soul im Stile der 50er und frühen 60er Jahre nimmt er, um seine ganz eigenen musikalischen Geschichten zu erzählen. Immer geprägt von einer vornehmen Melancholie und ohne aufgesetztes Posertum.

Alben wie „People Gonna Talk“ oder „The Hard Way“ hatten ihn in Soulkreisen endlich über das Vereinigte Königreich hinaus bekannt gemacht. Und da er live gerade auch in den USA viel unterwegs war, ist die Entscheidung, „Minute By Minute“ von Gabe Roth (Amy Winehouse, Sharon Jones & The Dap Kings) in New York produzieren zu lassen, ziemlich naheliegend. Außerdem hat sich Hunter eine etwas größere Band mit mehr Bläsern zugelegt, die den Sound abwechslungsreicher gestaltet. Eingespielt wurde dem Daptone-Ethos gemäß live im Studio. Und hier entfaltet sich die Magie der Songs von Hunter: Seine rauhe und emotionsreihe Stimme schwebt über seinen markanten Gitarrensolos, die Saxophone treiben das Geschehen zeitweise mit der Vehemenz des frühen James Brown voran, während Piano und/oder Orgel die bluesigsten Akzente setzen. Alles ist durchsichtig, die Arrangements lassen den Musikern Platz, solistische Akzente zu setzen. Und wenn sie gemeinsam funkige Riffs vortragen, entsteht dennoch kein überladener Motown-Sound sondern der Klang einer intimen Combo.

Was Hunter schon immer ausgezeichnet hat, ist sein feiner zurückhaltender Stil, Gefühle immer gebrochen durch Humor zum Ausdruck zu bringen. Wo Hiphopper heute oft mit ihrer Power protzen, sich notfalls mit Gewalt durchzusetzen, da schlägt Hunter im Opener „Chicken Switch“ vor, sich notfalls wie ein feiges Hühnchen zurückzuziehen, ehe man einen auf die Fresse bekommt, Wobei Hunter – man sollte ihn wirklich als letzen Gentleman des Soul bezeichnen – einen solchen Begriff natürlich niemals verwenden würde. Und wenn er in „Heartbreak“ sein Liebesleid klagt, dann ist das zwar fast herzzerreißend – doch gleichzeitig lässt einem der Song die Möglichkeit, das Ereignis auch ironisch distanziert zu betrachten. Und das Schlusslied „If I Only Knew“: Darauf wäre selbst ein Sam Cooke zu Recht stolz gewesen.

„Minute By Minute“ ist nicht einfach nur ein weiteres Soul-Album im Geiste der Vergangenheit – es ist eine mitreißende und zutiefst anrührende Scheibe von einem der besten Soulsänger Europas. Und hoffentlich dauert es bis zum nächsten Album nicht wieder fünf Jahre!