Blues aus Großbritannien trifft auf die Grooves des North Mississippi County. Für sein aktuelles Album „Candy Store Kid“ tat sich Ian Siegal nach „The Skinny“ wieder mit Musikern um die North Mississippi Allstars zusammen. Das Ergebnis kam für uns leider zu spät, um ihm einen Platz auf der Liste der Alben des Jahres zu geben.

Briten werden eigentlich nicht für Blues Music Awards in der Kategorie „Best Contemporary Blues Album“ nominiert. Ian Siegel war der Erste, dem diese Ehre zu Teil wurde. Und das durchaus verdient, ist Siegal doch ein Songwriter/Sänger/Gitarrist, der (zuerst in der harten Schule als Musiker auf Berliner Straßen) einen ganz eigenen Stil gefunden hat. Und als er 2011 ins Zebra Ranch Studio der North Mississippi Allstars fuhr, da entstand eines der außergewöhnlichsten elektrischen Bluesalben der letzten Jahre. Mit Cody Dickinson, Robert Kimborough oder Alvin Younblood Heart kam da eine Band zusammen, die einfach nur ein Dreamteam war.

Jetzt hat er die Geschichte mit Aufnahmen am gleichen Ort und mit fast den gleichen Musikern fortgesetzt und fühlte sich dabei wie das sprichwörtliche Kind im Süßigkeitengeschäft. Der Spaß, den die Musiker hatten, wird schon beim vom Elvis-Bassisten geschriebenen „Bayou Country“ deutlich: relaxt aber voller Power kommt der Song als Soul rüber, dem man jede Menge Anklänge an die Sümpfe Louisianas verpasst hat. Man fühlt sich in die 70er Jahre versetzt, wo Southern Rock noch genau Wert auf dieses Feeling legte. Bei „Loose Cannon“ ist man dann in den Juke Joints von North Mississippi angekommen: Alvin Youngblood Harts legt einen dreckigen Slide-Sound aus, die Rhythmen von Cody Dickinson sind hypnotisch und Siegal singt sich in dem Rocker die Seele aus dem Leib. Später kommen dann noch funkige Klänge („I Am The Train“), selbst eine Sitar kommt zum Einsatz (in Lightnin Malcolms „So Much Trouble“), Gospelsängerinnen erklingen im Background, und irgendwann wird einem klar, dass Siegal und seinen Mississippi Mudbloods gar das Kunststück gelingt, den klassischen Chicago-Blues von Muddy Waters und Howlin Wolf aufs mitreißendste mit dem North Mississippi und dem Deltablues zu fusionieren, etwa im witzigen „Kingfish“. Und irgendwann hat man sich von den Songs so gefangen nehmen lassen, dass man erst im Nachhinein feststellt: Selbst Country-Klänge und Rocksongs a la Dylan sind zu hören. Das Eregebnis dürfte Siegal nach „The Skinny“ vielleicht schon die nächste Nominierung für einen Blues Music Award eintragen. Und als Hörer und Fan des Blues fühlt man sich so wie die Musiker: Rundum glücklich und überwältigt.