Hallo, ich schreibe Euch aus Detroit, Michigan, USA. Ich weiß, dass in der ganzen Welt Detroit nicht immer den besten Ruf hat. Ich will diese Gelegenheit nutzen, um Euch über die vielen positiven Dinge, die in und um die Stadt herum geschehen, zu informieren.
Anfangen will ich mit Gracie See‘s Pizzeria. Ihr mögt fragen: Wieso eine Pizzeria? Gracie‘s ist nicht einfach eine Pizzeria. Es ist ein Restaurant, eine Bar und ein Treffpunkt für viele Leute von der West Side von Detroit. Wenn man in Gracie‘s reinkommt, fühlt man sich fast, als sei man in der Zeit zurück in die 70er gegangen. Das Restaurant hat altertümliche Wandverkleidungen und eine faszinierende Sammlung von Gipsstauen, Gemälden auf schwarzem Samt und überall verteilt alte Blechschilder aus den 60ern und 70ern.
 

Viele von den angesagten Orten in den Vorstädten behaupten, in Detroit zu sein, sind es in Wirklichkeit aber gar nicht. Nichts gegen sie, nur gibt es einen ganz bestimmten Charakter, den ein Geschäft in Detroit hat, und Gracie‘s ist keine Ausnahme. Es ist sogar ziemlich einzigartig, denn eine Seite der Straße (diejenige, an der Gracie‘s liegt) ist Detroit, auf der anderen Straßenseite ist man schon in Dearborn, der Heimatstadt der Ford Motor Company, berühmt gemacht durch einen Song von Rodriguez.
Gracie‘s ist eins von den wenigen von „Mom & Pop“ oder unabhängig besessenen italienischen Restaurants und Pizzerias in der Gegend. Die hausgemachte Pasta-Sauce und die nach alter Schule im Ofen gebackenen Pizzen sind großartig! Großartig ist auch der Mittwoch, wo das Spaghetti-Diner fünf Dollar kostet, das Bier vom Fass 1,50 Dollar – und es gibt live gespielte Bluesmusik!

Auf der einen Seite findet man das Restaurant, auf der anderen ist der Party-Raum und die Hinterzimmer-Bar mit einem Pool-Tisch. Und dort spiele ich Mittwoch nachts.
Man weiß nie, wem man dort begegnet, einem Mitglied der Stadtverwaltung, nem Polizisten, Feuerwehrmann, anderen Musikern aus der Gegend oder einfach Leuten aus der Nachbarschaft, die Spaß an ihrem Essen haben und sich freuen, mal wieder auszugehen. Jetzt wo es Mittwochs live gespielten Blues gibt (das fing im Dezember 2013 an), kommen neue Leute extra wegen der Musik her. Oft kommen befreundete Musiker vorbei und steigen bei mir ein. Ich hatte sogar Dichter, die gekommen waren, und aus ihren eigenen Büchern zur Bluesbegleitung vorgelesen haben. Im Party-Zimmer, wer weiß: Geburtstatsfeiern, Parties zu Feiertagen oder wenn jemand in den Ruhestand geht – es gibt alles! Man kann sein Essen auch zum Mitnehmen bestellen. Oder wenn man zu Hause bleiben will, dann liefern sie nicht nur Essen bis zur Wohnungstür sondern auch Bier & Wein. (Ich persönlich kenne keinen anderen Laden in der Gegend, der das macht!)

Gracie‘s gibt es schon sehr, sehr lange und es hat eine Familientradition, die sich über einige Generationen erstreckt. Ich hatte die Chance, mit Joe Puelo (Gracie‘s Sohn und Restaurantmanager) zusammenzusitzen und ihm paar Fragen über das Familiengeschäft zu stellen.

HG: Wie viele Jahre ist Gracie‘s schon im Geschäft?
JP: Gracie‘s gibt es jetzt schon seit 45 Jahren, wir haben im Summer of 69 eröffnet.

HG: Wer hat eigentlich die großartige Pasta-Sauce erschaffen?
JP: Meine Großmutter. Die Wahrheit ist eigentlich: niemand weiß es wirklich, das Rezept ist uralt. Meine Großmutter ist jetzt 90, vorher gehörte Gracie‘s meiner Urgroßmutter. Eines Tages wird es meiner Mutter gehören, dann meinen Schwestern, meinen Töchtern und so weiter. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben.

HG: Und wie ist das mit den Pizza-Rezepten?
JP: Das sind nur Brotteig, Sauce und Käse, irgendwann in den 1920er bis 1940er Jahren hat man das so gemacht. Man muss nur gute Zutaten verwenden und braucht eine Menge Übung. Der Teig benötigt wirklich eine erfahrene Hand bei der Herstellung. Man muss auf die Außentemperatur achten, darauf, wie schnell man ihn verwenden will – es sind viele Dinge, die da ins Spiel kommen. Aber wir verändern die Rezepte nicht.

HG: Haben sich die Rezepte im Laufe der Jahre irgendwie verändert?
JP: Wir mögen keine Veränderungen, in dem Fall ist das eine gute Sache. Du kannst genau dasselbe essen, wie die Leute damals 1969.

HG: Wie ist das für Sie, ein Geschäftsinhaber in Detroit zu sein?
JP: Unternehmer in Detroit zu sein ist eine durchwachsene Sache. Die guten Leute hier sind die besten, die schlimmen die schlimmsten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu sein. Detroiter sind die besten Nachbarn, jeder kennt jeden – und es ist wie eine Kleinstadt, die immer in Gang bleibt.

HG: Ich hab grad in den Nachrichten gesehen, dass ein Investor von außerhalb innerhalb von fünf Jahren 100 Millionen Dollar in Detroit investieren will. Glauben Sie, dass das einen positiven Einfluss haben kann?
JP: Jede Investition ist eine gute Investition. Ich hoffe, dass jeder in der Stadt sich verpflichtet fühlt, durch diesen Bankrott hindurch zu kommen, und aus der Stadt einen funktionierenden Ort zum Leben zu machen. Ich glaube, JP Morgan wettet genau darauf.

HG: Gibt es etwas, was Sie den Lesern in Deutschland sagen wollen? Oder warum sie gerade zu Gracie‘s kommen sollten, wenn sie in der Gegend von Detroit sind?
JP: Hallo, Kommen Sie vorbei, wenn Sie gutes Essen und ein Getränk mögen. Deutschland ist ziemlich weit weg, aber unsere Pizza ist so gut, es ist die Reise wert. Wir trinken Barrel Oktober Dunkel. Sie haben auch unseren Respekt als Auto-Leute. (Das ist das Deutsch von Joe Puelo. R.N.)
Außerdem zieht Howard eine ganze Menge amerikanischer Ladies an, wenn er hier spielt. Daher hat der Chef der Feuerwehr inzwischen zwei Freundinnen.

Nachdem das gesagt ist: Wenn Ihr in Detroit seid und ein großartiges Essen zu vernünftigen Preisen oder einige alkoholische Getränke zu Euch nehmen wollt, während Ihr mit wirklich netten Menschen abhängt, dann ist Gracie See‘s Pizzeria, 6889 Greenfield, Detroit (Michigan) genau der richtige Platz.