deutscherheldKarl May, Deutsche Herzen – Deutsche Helden (1885-1888) wird von der Forschung und der Kritik ziemlich zu Recht als einer der Tiefpunkte im Schaffen von Karl May angesehen. Das Monster-Epos von über 2000 Seiten hat zwar jede Menge spannende Erzählstränge. Aber keinen wirklich durchgehend überzeugenden Plot.

Ich will Spannung ohne Nachzudenken, ich will Bücher, die nicht schon nach zwei Stunden zu Ende sind. Ich glaub, es ist mal wieder Zeit, sich den Fortsetzungsromanen von Karl May zu widmen. So meine Gedanken letztens. Und daher griff ich ins Regal und landete ausgerechnet bei „Deutsche Herzen, deutsche Helden“, dem vierten der von May im Münchmeyer-Verlag veröffentlichten Kolportageroman.

Gut, dachte ich, warum eigentlich nicht? Der Anfang ist großartig: Konstantinopel, schöne Frauen, schurkische Beamte udn Geistliche, ein schrulliger Lord, ein deutscher Held (Oscar Steinbach), geheimnisvolle Verwandschaftsbeziehungen… Das richtige Rezept für einen Schinken von der Qualität des Waldröschens. Aber dann: Brüche, schlampige Fortsetzungen, immer neue Figuren ohne Hinführungen. Keine Handlung wird wirklich ernsthaft zu einem Ende verfolgt. Und wie es überhaupt zu der großen Intrige kam, durch die die Familie von Adlerhorst über alle Welt verstreut wurde, ist auch nicht klar auf den ersten 1000 Seiten. Und da hat man dann auch schon den ersten kompletten Wechsel der Schauplätze vollzogen: Plötzlich (wann und warum) landet man im Wilden Westen und ist dann auch noch unterwegs zum Silbersee. Und das ganz ohne Winnetou…

Später geht es dann auch noch nach Sibirien und Deutschland, ehe am Ende die Guten alle verheiratet und die Bösen tot oder verurteilt sind. Aber so weit bin ich noch nicht gekommen. Der Sommer ist ja noch nicht zu Ende.

Wer sich ausführlicher mit Mays Kolportageromanen beschäftigen will, sei auf Ralf Harders Analyse auf den Seiten der Karl-May Stiftung verwiesen. Und wer die Lektüre nachvollziehen will, kann das hier online tun.

Update: Ich hab’s geschafft mit diversen Nachtschichten. Der Roman ist überstanden. Aber Erklärungen, warum und vor allem wie die Familie von Adlerhorst über alle Welt verstreut wurde, liefert May bis zum Ende nicht. Auch wird nirgends klar, wieso Oscar Steinbach sich überhaupt für die Familie engagiert. Und eine verschmähte Liebe als Auslöser für 2000 Seiten Mord und Totschlage – das mein lieber May überzeugt überhaupt nicht…