und dann hatten sie mich schon im wagen drin, weil, das herz schlug wehe haken. und ihr silberner koffer war zu, und ein weißer vorhang ging hoch und gleich wieder runter. und das teure bett war plötzlich nur meins, und das material auf dem ich lag, konnte ich nicht erkennen. die sonne kam nicht durch am nächsten tag in den tiefer gelegenen raum, doch hinter dem zugezogenen stoff hörte ich diese frau: „es tut so weh, ich will nicht sterben!“    

SORGENICHs MITTWOCHs-REVUE 8

„was denn?“ fragte ein stehender mensch, und sein umriss umschattete mein abgelegtes getrenntsein. „die därme, herr doktor! die ganze kloschüssel war wieder so voll blut!“ „war schon wieder so voll blut?“ fragte der doktor, „wie alt sind sie denn?“ „siebenundsiebzig.“ stöhnte die frau. „ein schönes alter.“ sagte der doktor. „ich will nicht, bitte herr doktor, ich will nicht sterben!“ und dann kam doch noch etwas licht ins zimmer, nur nicht von draußen, so ein zusätzliches, nervöses flackern einer röhre von der decke, und plötzlich stürzte der schatten auf mich zu, riß den vorhang weg, stand zu fleisch geworden an meinem fußende fest: „und was haben sie die letzte nacht gehabt?“ fragte er mich. „vermutlich herzinfarkt. das labor hat noch nichts runtergeschickt.“ schaltete sich die dazugesellte schwester ein. „wenn was frei ist, morgen katheterisieren.“ gab er der schwester zum notieren an. und wie gut sein stehen mir bekam. zwischen dem furchtbaren flehen der frau und seinem baumwollseitenwechsel zog er, ohne es zu wissen, meinen zustand auf die richtige seite, ließ durch das ziehen des vorhangs das ende verharren, ließ mir noch zustehende jahrzehnte auf einer wartenden seite anstehend entgegenzwinkern. „unterschreib ich nicht!“ kam es aus meinem zustand. „und wieso nicht? da liegen sie im anschluß drei tage mit ’nem sandsack auf’m bauch, und mehr ist nicht!“ sagte der mann im kittel. „weil einer pro mille dabei stirbt, und ich spieler bin und zig mal diese ein-pro-mille-ausspielung an spielautomaten als gewinn abgefaßt habe! und weil meiner tante bei ’ner aufgedrängelten vorsorgeroutinedarmspiegelung der darm durchstoßen wurde und sie wie ein heißluftballon aufgegangen ist!“ „oh gott! oh gott! ich will nicht sterben!“ kam es hinter dem vorhang durch. „das ist doch was anderes!“ sagte der arzt. „unterschreib ich nicht! ich will hier raus!“ „das haben andere auch schon gesagt und kamen nach vierzehn tagen wieder, aber ein meter fünfzig tiefer!“ antwortete er. „oh gott! oh gott!“ kam es vom anderen bett der blutenden frau. „danke, sie können einem menschen wirklich mut machen! ich geh hier raus!“ „dafür müssen sie aber unterschreiben! auf eigene verantwortung!“ gab er zurück. „unterschreib ich!“ sagte ich. als ich auf der straße war, fing es an in strömen zu gießen. ein paar ecken weiter war die kneipe, in der ich häufig gehockt hatte, und mir fiel beim naßwerden ein, daß rotwein gefäßerweiternd und gut fürs herz sein sollte. ich kletterte auf einen der barhocker, bestellte roten wein und sah mich fröstelnd in gedanken in absehbarer zukunft auf der anderen seite des vorhangs, im lager der sterbenden frau. ich erschrak, zwei oder drei weibliche wesen kreischten wie aus dem nichts herzhaft aus einer nicht einsehbaren ecke der kneipe, irgendwie furchtbar irreal, wundersam obzön und vulgär und wirklich, und ich fegte mühelos das sehende vorhanggefühl beiseite.