gemma fireDüsterer Pop mit hohem Suchtpotential, schwärmerische Dramen und eine der wenigen echten Pop-Diven der Gegenwart: Zum Glück ist Gemma Ray ihrem Stil auch mit dem aktuellen Album „Island Fire“ treu geblieben. Nur noch besser ist sie geworden.

Als Gemma Ray kürzlich im Vorprogramm von Marianne Faithful in Deutschland unterwegs war, da soll sie die altgewordene Sängerin glatt an die Wand gespielt haben. Meint jedenfalls der Kritiker des „Spiegel“. Das verwundert nicht, wenn man ihr im Frühjahr 2012 erschienenes Album „Island Fire“ hört: Während die großen Zeiten der Faithful als Popsängerin irgendwann im Drogenrausch kaputtgingen (und ihre Fortsetzung nur in zerbrochenen wenn auch teilweise großartigen Rockscheiben fanden), ist Gemma Ray irgendwie eine Reinkarnation der Popsängerinnen der frühen 60er Jahre: Scheinbar unschuldig (wie die Stimme suggeriert und die Streicher süß behaupten) und doch gleichzeitig verrucht und verführerisch kann diese Frau einen von der ersten Note an völlig gefangennehmen. Die Songs kommen daher wie die Dramen der Girlgroups, die Melodien sind eingängig und entfalten Bilder in Cinemascope im Kopf. Ja, ich kann verstehen, wenn einer der Rezensenten meint, manchmal klänge sie wie die jüngere Schwester von Calexico. Schuld daran sind die zuweilen einfallenden Mariachibläser und die Gitarren, die wie eine Kreuzung aus „Desperado“ und Dick Dale klingen. Aber mit gleichem Recht könnte man sie als eine Musikerin bezeichnen, die Tarantino und Rodriguez in Klangwelten packt.

Gemma hat mittlerweile ihre ganz eigene Popwelt erschaffen, eine Welt, in die man sich flüchten kann, wenn der Alltag mal wieder zu stressig ist. Eine Welt aber, die nur beim ersten Hinhören zuckersüss ist, deren Abgründe aber schon hinter der nächsten Ecke lauern können. Selbst wenn sie singt „Here Comes The Light“, dann ist das nicht die helle strahlende Sonne eines Urlaubskatalogs, sondern eher das verräucherte Licht an der Kneipendecke in einem Film Noir. Keiner traut sich heute mehr, Gemma Ray mit Amy Winehouse oder gar Norah Jones zu vergleichen. Das ist schon mal der erste Schritt. Der nächste muss aber sein, dass aus ihr endlich ein Star wird. Denn als ewiger Geheimtipp ist diese Frau viel zu gut. Das musste ich jetzt mal loswerden. Und nun: Ab und Album hören, eigene Meinung bilden und danach die Scheibe neben die Lieblingsplatte von Nancy Sinatra einsortieren.