Wenn man mich nach den wichtigsten Bands der DDR fragt, dann fällt mir ziemlich am Anfang diese 1975 gegründete Gruppe ein. Nicht nur, weil sie in schöner Regelmäßigkeit Konzerte selbst in einer Provinzstadt wie Greifswald gaben und geben, sondern vor allem deswegen, weil Wolfram Bodag zu den meiner Meinung nach besten Songschreibern deutscher Sprache gehört.
Neben Bodag gehört zu Engerling von Anfang an noch Gitarrist Heiner Witte. Andere Musiker blieben nur kurze Zeit oder verschwanden nach der ersten Platte zu weniger "angepassten" Bands. Denn was Engerling machte und macht ist nicht wirklich und vor allem nicht immer Blues. Das ist auch nicht der „normale" Rock, wie er damals deutschsprachigerweise bei AMIGA auf Platte gepresst wurde. Sondern was Engerling spielt, ist ihre ganz eigene Musik irgendwo zwischen Rock und Blues und mit Texten, die in ihrer Vielschichtigkeit die Fans in der DDR erreichten und den Zensoren so ziemlich jedesmal ein Schnippchen schlugen.
Mit der ersten Single „Der Zug oder die weiße Ziege" bzw. eher mit deren Rückseite „Da hilft kein Jammern" bekam Bodag erstmals Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Weil er sich deutlich bei dem von Willie Dixon geschriebenen „Don't Go no Further" bedient hatte, wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Lied wurde daraufhin aus dem Rundfunkarchiv gelöscht und durfte nicht mehr gesendet werden.
Während auf Konzerten die der meisten Bands die Fans nach den „Originalen" von Muddy Waters, Johnny Winter, den Stones oder anderen Bands schrien, fand Engerling auch mit den eigenen Titeln immer mehr Anhänger. Lieder wie das „Muschellied" oder der „Narkose Blues" fassten nicht nur die persönlichen Stimmungen zusammen sondern konnten auch als verschlüsselte Hinweise auf die deprimierende politische Lage in der DDR gehört werden.
Dauernde Beobachtung von Fans und Konzerten durch die Stasi gehörten so schon bald zum Alltag. Wie sich die Beobachter der Sicherheit miteinader verständigten, um mögliche Krawalle zu verhindern, pressten Engerling nach der Wende als Tonbandmitschnitt auf ihre Platte "Egoland".
Und so war es auch nicht verwunderlich, als Engerling im Januar 90 bei einem Konzert mit Zurückgekommenen und Dagebliebenen eine deutsche Fassung von Dylans „The Times They Are A-Changing" spielte. Allerdings spielte Bodag „Es kommen andere Zeiten" danach viele Jahre nicht mehr, weil er befürchtete, das Lied könne von den im Osten stärker werdenden Neonazikreisen missbraucht werden. Neben der Egoland erscheinen auch der Wende noch paar Platten, etwa das leider ziemlich in Vergessenheit geratene Album "Komm vor" sowie drei verschiedene Live-Scheiben. Gerade die 1998 erschienene Platte mit Stones-Songs ist eigentlich mehr als einen Geheimtipp wert. Zum 25jährigen Jubiläum gab's in Berlin ein großes Konzert mit diversen Gästen, das auf DVD und als Doppel-CD erschienen ist.
Heute sind Engerling (und das auch schon ziemlich lange) die europäische Begleitband des Detroiters Mitch Ryder, dessen Songs sie immer schon in Konzerten gespielt hatten. Seither haben sie nicht nur live sondern auch im Studio mit ihrem Helden aus den 60ern verschiedene Alben veröffentlicht. Auf diesem Wege sind sie als eine der wenigen DDR-Bands auch im Westen bekannt geworden und haben es selbst in die „Zeit" geschafft.
Und daneben kommen immer wieder Konzerte zwischen Küste und Sachsen, bei denen die alten und die neuen Lieder gespielt und von den Fans gefeiert werden. Im November 2010 soll in Berlin ein großes Konzert zum 35jährigen Bestehen veranstaltet werden. Eigentlich war das schon für das Frühjahr geplant. Doch weil Wolfram Bodag längere Zeit erkrankt war, musste es verschoben werden. Doch seit Ende Mai läuft die Jubiläumstour durchs ganze Land mit den alten Songs. Ob es wohl jemals eine neue Platte gibt? Zu wünschen wäre es. Denn Bodags lyrische Kommentare fehlen mir einfach schon zu lange.
Autor Bluespfaffe