und dann springt dir das ende wie ein sich abreibender staubpilz in den nacken. 
du hast nur einen schatten gesehen.
schnell und doch so schwerelos. so furchtbar leicht. schlägt er dich um. wie ein fliegender beutel.
und dann kommst du dir selber vor wie ein ausgeschlachteter beutel. leer. wie eine beim winterlichen schlachtfest im sonnigen frost mit luft gefüllte, zum trocknen aufgehängte schweinblase im wind. hauchdünn, zart und durchsichtig, prall vom nichts.
sprang dich einfach so an,
wie das warten,
das lebenslange warten auf ein lächeln, auf die liebe, auf die sonne, auf ein paar klare worte, auf ein sich ertragendes gemüt.
hafturlaub im freien mit kletten auf der seele.
klettern.
ein klettern auf die berge in der tiefe, dieses warten in den gängen der schluchten.
 
„das war’s!“ sagte die frau.
„was war was?“ fragte der mann.
„dein ewiges rüberklettern. ich will das nicht mehr.“ antwortete seine frau.
„wieso, hat dir doch auch spaß gemacht. konntest doch nicht genug kriegen und hingst an mir wie eine klette, wie ein intakter, nicht ausgeleierter klettverschluß. und nun ist gut, auf einmal? was soll das? vierzehn jahre war alles bestens, und jetzt kommst du so, versteh ich nicht. ich hab dich doch immer gefragt ob alles gut ist, und du hast immer behauptet, ich soll mir keine sorgen machen, soll nicht darüber nachdenken, alles wäre gut.“
„war es ja auch, aber nun ist genug.“ gab sie zurück.
„sag mir wenigstens, was passiert ist. was ist los mit dir? spinnst du jetzt aus heiterem himmel, einfach so?“
„wo ist denn hier ein heiterer himmel?“ fragte sie etwas abwesend und gedankenverloren zurück.
„mensch, ich hab dir geglaubt, was ist denn!“ schrie der mann durch den raum.
„nichts.“ sagte die frau.
„na, aber irgendwoher muß das doch kommen! was hast du? einen anderen?“
„nein.“
„was dann?“
„ich kann dich einfach nicht mehr neben mir liegen sehen, kann dein zähneputzen nicht mehr hören, dein furzen, deine socken in der waschtrommel, deine grauen haare auf dem teppich, dein tischabwischen und zeitunglesen, dein zigarettenrauchauspusten und dein klopapierranschleppen, dein leere flaschensammeln und naseausschnauben, dein programmrumschalten und kreuzworträtseln, dein geldzumsparbuchschleppen und autoeinparken, dein müllindietütestopfen und dastütewegschleppen, dein meinepaketeannehmen und das kaffetassenausspülen, dein haarewachsenindenohren und dein heizungsaufdrehen, dein lichtanundausknipsen und dein schuheausziehen, dein jahreskalenderschreddern und jeden neuen tag mit dir, dein…
„nun mach aber mal ein punkt!“ schrie der mann dazwischen, das ist ja nicht auszuhalten mit dir! denkst du, das seh ich bei dir nicht auch, und trotzdem wolltest du berge von saft und stöße aus tiefsten schluchten, und jetzt bin ich die schweineblase für dich, hört sich an, wie ein schäbiges, nicht zu begreifendes ende. das ist mir zu profan, das geht so nicht! wenn du mir nicht erklärst, wie das auf einmal so kommt, nicht richtig erklärst, wie…“
„wenn du weiter bei mir rüberkletterst, hab ich das andere auch immer wieder, das hört nie auf, bis zum ende geht das so und wird nur schlimmer, da warte ich nicht länger drauf, das schneid ich vorher durch!“ fiel ihm die frau dazwischen.
„und bei anderen ist das anders?“ warf der mann eine frage nach, für die er keine bejahende antwort erwartete, von der er glaubte, ihren verdruß zu halbieren.
„bei anderen ist dann alles viel kürzer.“ antwortete die frau.
„ohne liebe ist alles zu kurz.“ kam es nach einer kleinen pause vom mann.
„denkst du, liebe läßt mich dein klosettspülen und mundwassergurgeln nicht hören, dein rasierklingeabspülen und kotelettklopfen, dein jalosienhochundrunterrasseln, dein niesen und schrankaufundzumachen, läßt mich dein nägelschneiden und brilleputzen nicht sehen, dein briefeaufreißen und briefmarkenanlecken, dein mietverträgesortieren und wahlscheineintüten, dein kartoffelschälen und eierabschrecken, dein bratröhreschließen und badewassereinlassen, dein…“
der mann stand auf und ließ sich badewasser ein, hörte im rauschen: „…dein texteausdrucken und ins badewassersacken, dein staubsaugerbeutelwechseln und zähneknirschen…“, ließ sich ins wasser sacken und stimmte mit ein: „dein staublappenwedeln und monatsbindenwechseln, dein haarefärben und beinerasieren, deine friedhofsbesuche und kindergeldkontoauszüge, dein scheidungsunterlagendurchblättern und alteehebrechertelefonanrufeabwürgen, dein kindergebähren und keinekindergebrauchenkönnen, dein alimentempfangen und… ach, scheiß drauf!“ der mann verstummte, versuchte, sich jede einzelnde knisternd zerspringende schaumblase des badezusatzes als ein universum für sich vorzustellen, sah die milchstraße eingeklemmt zur sackgasse werden, sah verwebt und klebriger als ein spinnennetz kosmos an kosmos liegen, hörte: „…dein aufpostwarten und keinekinderlebenslangtäglichnahbegleitenkönnen, dein lautes grübeln und stummes schreien, dein nicht mehrrüberkletternkönnen und trotzdemabsamen, dich laß ich nicht mehr klettern…“
der mann griff sich eine handvoll universen und pustete sie über den wannenrand, sah sie langsam landen und wartete auf ihr zerplatzen.

UNTERM SAFT GEHT’S WEITER / 75