Alexander Osang: Ankunft in der neuen Mitte: Reportagen und Porträts, Ch. Links Verlag Berlin. Es sind wenige Journalisten, die so wie Alexander Osang mit knappen Worten eine ganze Welt lebendig machen können.
Sein Band Ankunft in der neuen Mitte versammelt Texte, die zwischen 1996 und 1999 für die Berliner Zeitung geschrieben worden. Insgesamt bietet der Band mit seiner Vielfalt ein unwahrscheinlich treffendes Bild vor allem ostdeutscher Befindlichkeiten am Ende der Bonner Republik.
Es ist wirklich niederschmetternd: Da tritt einer der wenigen wirklich guten Songschreiber der DDR auf – und landet vor einem Haufen von „Junggebliebenen“, also von Leuten, die ihrer Zeit nicht nur in der DDR sondern vor allem auch in der FDJ und ihren Strukturen hinterher trauern. Und hier versucht Lakomy seine alten Lieder zu singen. Und kommt gegen das Gequatsche der Typen einfach nicht an.
„Irgendwie wird es immer weniger“ überschreibt Osang den Abschnitt seines Dialoges mit Michael Meier zum Ende der ostdeutschen Programmzeitschrift FF dabei. Immer weniger Heimat wird es. Die altgewohnten Orte verwandeln sich, man selbst verwandelt sich im Laufe der Jahre – und was
einmal als gut erlebt wurde, ist im Abstand der Zeit einfach nur noch peinlich und von vorgestern. So wie Osang die Veränderungen vor allem in Berlin und Brandenburg in den Jahren seit der Wende beschreibt, bleibt kaum Raum für Nostalgie: Hier ist etwas endgültig vorbei – und was da an Neuem entstanden ist, ist nicht wirklich Heimat geworden. Gerade jetzt zwanzig Jahre nach der Wende sind die Porträts der Bürgerbewegten zwischen Vera Lengsfeld und Reiner Eppelmann ein deutliches Indiz für diese Veränderung. Die Träume sind ausgeträumt. Und entweder man ist wie Eppelmann zum Vollblutpolitiker geworden und damit in Kohls Deutschland angekommen, oder man hängt den Erinnerungen nach wie manche anderen. Es ist erstaunlich, wie präzise Osang mit seiner nüchternen und klaren Sprache Menschen und Situationen charakterisieren und entlarven kann, ohne die Protagonisten der Lächerlichkeit preis zu geben. Wenn er etwa den Markt der Berliner Frühstücksradio-Shows porträtiert, da sind da nicht die Karrikaturen von Möchtegern-Spaßvögeln, die man allmorgendlich hören muss. Sondern es werden Porträts von Menschen gezeichnet, die aus welchen Gründen auch immer eben genau bei den Frühsendungen der diversen Stationen gelandet sind. Menschen, die ihre Arbeit teilweise gern, teilweise nur notgedrungen machen. Menschen, die Träume und Wünsche haben, deren Ideen aber von Soundbetten oder Vorgaben zur Länge gesprochener Beiträge kastriert werden. Wenn man in ein paar Jahrzehnten über das Ende der Bonner Republik, über die verrückten Jahre nach der Wende forschen will, kann man die Atmosphäre der Zeit kaum besser nacherleben als in Osangs Reportagen.