SORGENICHs MITTWOCHs-REVUE 13
„…echt? und was ist denn bei euch immer so lustig, worüber erzählt ihr
denn so, daß ihr noch manchmal lachen könnt.“
inzwischen waren 23 jahre nach dem zusammenbruch der ddr vergangen, 23 jahre nach der wende und wir hockten in der psychiatrie, rauchten in der runde vor dem klinikgebäude. und dann kam er drauf, warum wir dort therapie- und medikamentenresistent hocken mußten und uns rein gar nichts mehr half: „wir haben unsere glückshormone aufgebraucht, da hilft nichts mehr, glückshormone sind alle.“
„genau, das ist es, und ich hab’ immer überlegt woran das liegt. der glückshormonetank ist leer, du hast es erfaßt. wir hätten uns das einteilen müssen, nicht alles pausenlos hintereinander verschießen. aber wenn wir was gemacht haben, dann immer exzessiv, immer ganz und gar, bis zum bitteren ende und drüber hinaus.“, antwortete ich.
„und jetzt hat der liebe gott gesagt, schluß, aus, euer zeug ist alle, das habt ihr davon, da sitzt mal jetzt wie die doofen hier rum!“, sagte er.
clara sagte: „ich hab zur wende auch nur einmal 100,- DM begrüßungsgeld bekommen.“
aus. ende. keine glückshormone mehr im tank, die sich gegen all das hätten wehren können. aufgebraucht. ich wußte es, doch ralf hatte noch einmal meine lange vermutete these bestätigt. und zur wende hatte ich gar kein begrüßungsgeld bekommen, da ich schon jahre mit einer ddr-identitätsbescheinung in hamburg hockte, und die 50,- dm begrüßungsgeld von der kirche nach meiner ausbürgerung aus der ddr wurden mir damals im fahrstuhl des drk-wohnheimes auch gleich mit hilfe einer auf meinem bauch gerichteten pistole abgenommen.
oh gott, geht mir das scheiße, doch wo bleibt mein begrüßungsgeld hier im klub der fanta-farm in greifswald. aber was hätte ich mit dem geld jetzt anfangen können? gut, ich hätte meine wahlleistungen bezahlen können, die zusätzlich zu honorierende einzelbettgeschichte und die chefarztvisiten. nichts war in der psychiatrie wichtiger, als alleine auf einem zimmer zu sein, es stand zwar noch ein zweites bett drin, aber noch war niemand zweites bei mir einquartiert worden. sollte ich das als glück im unglück der zerfetzen psyche mit meinen zersplitterten nerven einfangen? doch auch diese sekundenbruchidee half nichts, nichts half mehr. nicht einmal ralf. auch mein eigenmächtiges runterdosieren des ‚lamictals’ nicht. es stellten sich einfach keine höhen und tiefen mehr ein, alles schwankte nur noch zwischen tief und tiefer und dazu widerlicher unaufhörlicher fasching im kopf.
der mann erzählte es seiner frau und er hörte: „ich hab’ mir damals mein begrüßungsgeld gar nicht abgeholt.“
„hast deinen alten personalausweis noch?“, fragte der mann.
„ja, na klar.“
„und keinen stempel drin von irgendeiner bank, so wie das damals gemacht wurde, wenn man sein begrüßungsgeld empfangen hatte? zack, stempel rein in den ausweis und fertig war die quittung. war doch so, oder?“
„kann sein, aber ich hab keinen drin.“
„na, dann hol’ dir das begrüßungsgeld doch jetzt noch ab, wir brauchen jeden cent.“
„ja, und ich geh’ dann jetzt mal mit dem ding zum oberbürgermeister oder so.“
der mann und die frau lachten irgendwie, beinahe lautlos und nickten dann müde, jeder für sich gleich wieder abwesend, mit ihren milchglasfarbigen augen ihr kurzes gemeinsames lachen weg.