Jonathan Raban:  Passage nach Juneau: Durch Kanadas Stromschnellen und Fischgründe.

Was bringt einen Menschen, der eigentlich Angst vor der bedrohlichen See hat, dazu, von Seattle nach Alaska zu segeln, in einem der wildesten und anspruchsvollsten Reviere dieser Welt? Jonathan Raban, der aus England stammende Autor, hat mit seiner Ketsch die Inside Passage befahren und beschreibt in seinem Buch nicht nur seine Reise sondern auch die Entdeckung der Gegend 200 Jahre zuvor durch Kapitän Vancouver.

Die Faszination des Meeres ist längst nicht in allen Kulturen vorhanden. Dass Menschen allein aus Vergnügen oder sportlichem Ergeiz Gegenden mit kleinen Booten bereisen, ist gar erst ein Phänomen der Neuzeit. Denn eines ist allen Menschen klar: Mit dem Meer kann man nicht spaßen. Wenn man sich auf eine Reise begibt, setzt man sich und sein Boot unbekannten Belastungen und Gefahren aus. Und – auch das wissen die Menschen seit der Zeit der Antike: Jede Reise führt zu einem Ziel, doch ob es das gewünschte ist – und ob der Reisende danach überhaupt noch der Selbe ist wie zu Beginn, das ist völlig offen.

Er habe über die verschiedenen Bedeutungen des Meeres nachdenken wollen, schreibt Jonathan Raban in seinem Reisemonolog. Und so folgt er den zahllosen Fischtrawlern, die in jedem Jahr von Seattle nach Norden aufbrechen, um in den Fischgründen Alaskas nach Lachsen oder Heringen, jedenfalls nach dem reichen Fischzug suchen. Und er folgt der Entdeckungsreise von Capitän Vancouver und seiner Mannschaft, die erstmals die Gegend der Inside Passage zwischen Seattle und Alaska erforscht haben. So ist sein Buch eine ständig wechselnde Meditation über Menschen, Landschaften und ihrer Geschichte: seien es die Menschen, denen Raban in ausgestorbenen Touristenecken vor Saisonbegin begegnet, seien es die Erlebnisse von Vancouvers Mannschaft – oder die Geschichte der Indianer der Region mit ihrer reichhaltigen, allein am Meer ausgerichteten Kunst. So wie die Wellen Spielbilder plötzlich verzerren oder durch andere Spiegelungen überlagern können, so überlagern sich in Rabans Text diese Ebenen immer aufs Neue.

Und letztlich muss der Autor feststellen, dass seine eigene Reise nach Alaska und zurück sein Leben stärker verändert, als er das gewollt hat. Das wahre wilde Meer ist eben nicht nur an der Küste, sondern tobt oft genug auch in einem drin. Man muss sich seinen Ängsten stellen, um loszufahren. Doch oft genug ist genau soviel Mut nötig, zurück zu kehren in sein eigentliches Leben. Wer von einem Reisebericht nicht nur Reportagen und geschichtliche Anmerkungen erwartet, wird an Rabans innerer und äußerer Reise sein Vergnügen haben. Empfehlenswert ist allerdings, sich eine genaue Karte der Region neben das Buch zu legen – die vorn und hinten eingedruckten Karten glänzen durch eine Detailarmut, die ihresgleichen sucht.

  • Verlag: Piper (Taschenbuch)
  • ISBN-10: 3492242294
  • ISBN-13: 978-3492242295
  • Originaltitel: Passage to Juneau. A Sea and its Meanings