Ihr Vater Roy Gaines war Bluesgitarrist, ihr Onkel Grady hat für solch bekannte Künstler wie Sam Cooke, Little Richard, Gladys Knight oder Diana Ross sein Saxophon gespielt. Und Carolyn Gaines, die mit „Beware Of My Dog“ jetzt ihr Debüt veröffentlicht hat, hatte zuvor schon ein Leben im und für den Blues geführt, war aber Lehrerin und Promoterin bislang im Hintergrund geblieben.

Es ist bei Instrumentalisten unabdingbar, dass sie ihren ganz eigenen Stil entwickeln, um in der Vielzahl der Veröffentlichungen heraus zu stechen. Bei Sängerinnen und Sängern hat man das eher seltener im Blick. Man hört auf die ganz eigene Stimmfarbe, achtet – zumal im Blues – weniger auf die Art, wie die Töne erzeugt werden, wie die Künstlerin mit diesen Veränderungen den Charakter des Songs selbst prägt und verändert.

Carolyn Gaines hat eine tolle Bluesstimme. Doch was sie von anderen Künstlerinnen unterscheidet, ist die Art wie sie singt: Sie presst und verbiegt die Töne, sie knurrt sie fast, wenn es ihr wichtig erscheint. Und damit bringt sie – das ist heutzutage selten geworden – Gesangsstile wieder in Erinnerung, wie sie die Bluesqueens in den 20er und 30er Jahren zu ihrer ersten Blüte gebracht haben. Man höre sich nur mal die Fassung von „Done Got Old“ von Junior Kimborough an: Wo Buddy Guy auf seinem Album „Sweet Tea“ allein den Text in den Mittelpunkt stellte und seiner Stimme erlaubte, altersgemäß brüchig zu wirken, da macht Gaines die Nummer zu einer artistischen Tour de Force: Fast kein Ton wird natürlich gesungen, da wird gebendet und gepresst, wie man es so noch nie gehört hat. Das ist einerseits natürlich extrem beeindruckend. Aber gleichzeitig kann einen dieser Stil auch befremden. Denn das Übermaß, wie hier klassische Bluesstile eingesetzt werden, wirkt auf Dauer einfach übermäßig künstlich und hindert einen gar daran, sich mit Gaines wirkich guten Songs zu befassen.

Fast jede Nummer auf dem Album ist Antwort oder Reaktion auf bestimmte Bluesklassiker oder Blueskünstler der Geschichte. Beim Titelsong etwa kann man sich an Big Mama Thornton und Elvis mit dem legendären „Hound Dog“ erinnern. „Catch That Train“ nimmt den Stil von John Lee Hooker auf. Und mit einigen Textänderungen wird aus dem Mann eine „Hoochie Coochie Woman“. Selbst der klassische Blues der 20er Jahre mit seinen sexuellen Anzüglichkeiten wird mit „Mr. Dill Pickle“ humorvoll und faszinierend in Szene gesetzt.

Begleitet wird Carolyn Gaines auf dem Album von Fred Clark (g), Glen Doll (mharm), Rudy Copeland (org), Dell Atkins (b) und Schlagzeuger Chad Wrigt. Als Gäste wirken ihr Cousin Grady Gaines Jr und bei drei Stücken der legendäre Big Jay McNeely mit ihren Saxophonen mit.

Auch wenn sie es meiner Meinung nach mit der Anwendung künstlerischer Stilmittel übertreibt, ist Carolyn Gaines eine der faszinierendsten Sängerinnen, die es seit langem zu entdecken gab. „Beware Of My Dog“ ist eine echte Empfehlung für alle Fans klassischer Bluessounds.