CoverRockmusik als brutaler Alltagskommentar: Bruce Springsteen hat mit seinem 17. Album Songs gefunden, die genau auf den Punkt treffen. Musikalisch pendelt "Wrecking Ball" zwischen klassischem Springsteen, Folkrock und elektronischen Verfremdungen. Großartig!

Wenn Songwriter eine Botschaft zu verkünden haben, sträuben sich mich schnell die Nackenhaare. Ich hasse erhobene Zeigefinger oder selbsternannte Messiasse. Doch Bruce Springsteen hat glücklicherweise noch niemals zu dieser Kategorie von Musikern gehört. Selbst die Betroffenheit eines Albums wie "The Rising" war dank der großartigen Musik eindrücklich und bewegend. Wobei man gleich anmerken sollte: "Wrecking Ball" ist wesentlich großartiger gelungen.

Es ist der Blick auf den Alltag, auf die Kleinstadt, auf den "normalen" Menschen da auf der Straße, der die musikalischen Beobachtungen Springsteens von Anfang an auszeichnet. Genau diese haben Songs wie "Born to Run" oder "The River" zu Hymnen ganzer Generationen gemacht. Und Lieder wie "My Hometown" hatten den fast resignierten Blick auf den Verfall, den man überall sofort verstehen konnte. Jetzt, so macht "Wrecking Ball" von Anfang an klart, ist Springsteen aber wirklich wütend geworden: Überall das Rennen nach dem schnellen Geld, der schließlich zum "Death of My Hometown" führt. Der Abriss der vertrauten Umgebung und das völlige Fehlen von Perspektiven lassen das Pendel zwischen Wut und Resignation ausschlagen.

Dass Springsteen jetzt musikalisch viel häufiger auf Folk-Klänge als auf seinen patentierten Rock setzt, macht das Hörvergnügen noch größer. Manchmal fühlt man sich an die "Seeger-Sessions" erinnert, manchmal gar an irgendeine schräge Zirkuskapelle bei einer Beerdigung. Selbst ein Gospelchor war eingeladen. Doch ehe man sich zu heimisch fühlt, werden auch elektronische Klänge oder gar Rapeinlagen eingestreut: "Wrecking Ball" ist kein Wohlfühlalbum. Es ist ein wütendes Werk eines zornigen und desillusionierten Musikers. Ein Rockalbum, wie es lange keines mehr gab.