Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet: Dylan singt das American Songbook. Gehofft hatte ich eigentlich auf ein Album mit neuen Songs von der Wucht von „Tempest“. Statt dessen bekommmen wir auf „Shadows In The Night“ sehr perönliche Cover von Songs zu hören, die etwa Frank Sinatra Ende der 50er Jahre aufgenommen hatte.

In der Mitte der 80er Jahre blieb ich per Zufall bei einer Radio-Sendung hängen, in der ein neues Dylan-Album vorgestellt werden sollte. Allerdings klang die Musik, die gespielt wurde, so gar nicht nach Dylan, sondern nach Jazz. Dylan, so der Moderator, hätte ein Album als Posaunist aufgenommen. Und alle möglichen Kritiker wurden zitiert und priesen die Genialität des Meisters selbst, wenn er nicht sänge. Diese Sendung, so wurde irgendwann deutlich, war ein einziger Fake, eine Veralberung der Hörerschar.

„Shadows In The Night“ spielt auf einer ganz anderen Ebene. Schon bei „World Gone Wrong“ oder „Good as I Been To You“ hatte sich Dylan Songs gewidmet, die ihm wichtig waren. Dass er sich allerdings jetzt – und das absolut überzeugend – als romantischer Crooner präsentiert, ist mindestens ebenso überraschend wie vor einigen Jahren sein Weihnachtsalbum: Romantische Balladen mit Streichern und Steelgitarren, mit Bläsern und jeder Menge Melancholie erklingen. Und Dylan präsentiert sich hier als stilsicherer Jazz-Sänger.

Überraschend, aber faszinierend ist das Album. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Dylan bald mal wieder eigene Songs aufnimmt.