Als vor einigen Wochen „Murder Most Fowl“ ohne vorherige Ankündigung erschien, da wachten die Musikkritiker überall in der Welt aus ihrer Corona-Langeweile auf. Zumindest die Kritiker, die Bob Dylan seit Jahrzehnten verfolgen. Ein ellenlanges Statement zum Mord an John F. Kennedy und dem Weg der Vereinigten Staaten seither. Kurz darauf veröffentlichte der Meister noch zwei weitere Songs und kündigte gar ein neues Album mit eigenen Songs an.

Damit hatte eigentlich kaum jemand gerechnet. Auch wenn nach etlichen Alben, die man grob als Bob entdeckt den inneren Sinatra umschreiben kann, die Sehnsucht nach neuen Liedern groß wurde.

„Rough And Rowdy Ways“ erscheint gerade richtig in diesem Sommer: Die USA werden momentan so sehr in ihrem Innersten durcheinander geschüttelt, dass es des musikalischen Kommentars bedarf. Klar, der 79jährige Nobelpreisträger weiß selbst, dass er sein Leben eigentlich schon längst ausgelebt hat. Doch es braucht vielleicht doch nur ein paar Songs, um zwischen Pandemie, Quarantäne, Fake News und revolutionären Demonstrationen gegen Rassismus und Ungerechtigkeit ein Zeichen zu setzen.

Dylan ruft die Musen an, wie schon Homer und alle anderen Poeten nach ihm, er fragt sich, was Julius Cäsar heute machen würde – oder vermixt mit einem Augenzwinkern Brandos Paten und Pacinos Scarface zu einem unschlagbaren Roboter-Kommando.

Musikalisch ist dieses Album so aus der Zeit gefallen wie damals schon „Modern Times“ oder Tempest. Chicagoblues trifft auf Nashville und den Rock & Roll aus Memphis. Hier ist keine Anbiederung an eine wie auch immer geartete Zeitgemäßheit zu finden. Dylan hat spätestens seit „Time out of Mind“ eine musikalische Sprache gefunden, die seinen textlichen Meditationen genau angemessen ist.

Und so kann er sich ganz klassisch vom Blueser Jimmy Reed (schon längst tot) verabschieden. Oder er beklagt die falschen Propheten, die immer wieder und immer mehr eine ehrliche Debatte in der Gesellschaft vergiften mit falschen Botschaften. Er porträtiert Gangster, Rumtreiber und Sünder – Menschen die wie er „drei Meilen nördlich vom Fegefeuer und einen Schritt vom großen Jenseits“ entfernt sind. Und in dieser mythischen Zeitebene sind die uralten Mythen eben doch ganz zeitgemäß, treffen Historie und Gegenwart wieder aufeinander.