Marcel Rosenbach/Holger Stark: Staatsfeind WikiLeaks: Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert – Ein SPIEGEL-Buch

Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt (26. Januar 2011)
ISBN-10: 3421045186
ISBN-13: 978-3421045188

 

Wohl kaum ein einzelner Mann hat in den letzten Jahren die öffentliche Meinung mehr polarisiert als Julian Ansange. Als Gesicht hinter WikiLeaks hat er ganze Staaten herausgefordert, indem er ihre Geheimnisse veröffentlicht hat: Morde an Zivilisten im Irak und das machohafte Videospielgehabe von amerikanischen Soldaten im Video „Collateral Murder“ oder die Chroniken der beiden Kriege im Irkak und in Afghanistan etwa – drei Projekte, die die Welt auf die Wahrheit und Grausamkeit der hinter Banalitäten versteckten offiziellen Verlautbarungen der USA hinwiesen. Und dann schließlich die Veröffentlichung von hunderttausenden Depechen von Mitarbeitern der Botschaften der Vereinigten Staaten, aus denen deutlich wird, wie die USA versuchen, die Welt in ihrem Sinne zu beeinflussen. Diese Veröffentlichungen haben die Welt polarisiert. Darf man ohne wirkliche Rücksicht auf Verluste jegliches Geheimmaterial, welches einem zugespielt wird, einfach veröffentlichen? Ist das, was WikiLeaks macht, eine Form von Journalismus oder gar eine Art „Geheimdienst des Volkes“ – oder ist es schlicht eine Form von elektronischem Terrorismus gegen ganze Staaten? Julian Ansange sieht sich als Gründer und einzig wahre Stimme des Projekts WikiLeaks. Und gegen ihn richtete sich vor allem die Propaganda gerade rechtsgerichteter Kreise in den USA, die bis hin zu offiziellen Forderungen zum Mord reicht.

Rosenbach und Stark haben für den Spiegel seit langem gerade zu Fragen des Internets und speziell zu WikilLeaks gearbeitet. Und so kommt ihr Bucht „Staatsfeind WikiLeaks“ jetzt als eine Zwischenbilanz gerade richtig zu einer Zeit, wo die Zukunft dieser Internetaktivisten offener den je erscheint. Die Autoren haben in ihrer Arbeit nicht nur das schillernde und an Brüchen und Selbstüberschätzungen reiche Leben Ansanges dargestellt sondern widmen sich auch besonders der Frage der Berechtigung derartiger Aktivitäten im Zeitalter des Internets im Blick auf verantwortlichen Journalismus.

In zahlreichen Gesprächen mit Mitstreitern und Gegnern Ansanges entsteht ein Bild nicht nur von diesem selbsternannten Popstar sondern auch von Menschen, die der Geheimniskrämerei von Staaten, Firmen und Institutionen von vornherein kritisch gegenüberstehen und eine Transparenz von deren Handeln unabdingbar für eine demokratische Mitbestimmung der Bürger halten. Aus der Geschichte von WikiLeaks wird deutlich, dass es den Aktivisten eben nicht – wie heute oft verkürzt dargestellt – nur um eine Kritik an der Regierung der USA geht sondern um Öffentlichkeit egal in welchem Land.

Doch durch die Konzentration der Veröffentlichungen in den letzten Monaten auf Material, was der Seite wahrscheinlich von einem inzwischen festgenommenen Soldaten der USA zur Verfügung gestellt wurde, hat sich Wikileaks einen Ruf als Staatsfeind der USA oder als terroristische Gruppierung erworben. Und Julian Ansange, der noch immer auf einen Prozess wegen sexueller Belästigung in Schweden wartet, hat sich als verfolgter Politaktivist weltweit einen Namen gemacht. Und er hat durch sein arrogantes Verhalten sein Projekt gleichzeitig aufs höchste gefährdet und zahllose seiner langjährigen Mitstreiter vertrieben, die es wagten, seine Meinung in Frage zu stellen.

Was das Buch besonders wertvoll macht, sind die Fragen, die die engagierten Journalisten zur Zukunft ihres Berufsstandes stellen: Darf man mit Materialien, wie sie WikiLeaks veröffentlicht, arbeiten? Und welche Verantwortung muss die Presse im Umgang mit solchem Material wahrnehmen? Wie das ihrer Meinung nach aussehen sollte, kann man im aktuellen Spiegel-Spezial zu den Botschafts-Depechen der USA nachvollziehen: Hier wird die ganze Unsicherheit und teilweise Unverfrorenheit der Außenpolitik der Vereinigten Staaten in den verschiedenen Brennpunkten der Welt nachgezeichnet. Es wird deutlich, dass für die USA mittlerweile – selbst unter der Präsidentschaft Obamas – die Botschaften als verlängerter Arm der Geheimdienste benutzt und damit allgemeingültige Vereinbarungen zur Diplomatie missachtet werden. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass gerade in den Verhandlungen mit arabischen Staaten etwa zur Atompolitik des Iran die bislang in der Presse zu lesenden Frontstellungen nur noch Fassaden und Phrasendreschei sind. Und damit trägt die Aufarbeitung dieses Materials gerade dazu bei, die immer wieder festgefahrenen Verhandlungen vielleicht neu zu beleben. Wenn die Veröffentlichung der Unterlagen dazu beiträgt, dann haben WikiLeaks und die mit der Bearbeitung befassten Zeitungen der Welt einen großen Dienst erwiesen. Auch wenn man den Menschen Julian Ansange nun wirklich nicht mögen muss.

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