Billie Holiday 1949 (Foto: Carl van Vechten)Nicht nur die Augen können der Spiegel der Seele sein. Auch der Gesang lässt einen oft bis auf den Grund der Seele eines Menschen blicken. Billie Holiday  zählt zu den Sängerinnen, denen dies bis zum Ende ihrer Karriere immer gelungen ist. Songs For Distingué Lovers (Verve Master Edition) vereint neben den sechs auf der LP veröffentlichten Liedern weitere sechs aus den gleichen im Januar 1957 abgehaltenen Sessions, die auf anderen Platten veröffentlicht wurden.

Begleitet von einer kleineren Band mit Trompete (Harry „Sweets“ Edison), Tenorsax (Ben Webster), Piano (Jimmie Rowles) sowie mit Barney Kessel (g), Red Mitchell (b) und den Schlagzeugern Larry Bunker und Alvin Stoller findet die Sängerin in den einfachen Liebesliedern eine Tiefe, die einem auch nach mehr als 50 Jahren eine Gänsehaut verursachen können. Da ist das auch von Frank Sinatra bekannte „One For My Baby (and One More For The Road)“ nicht einfach nur ein Gespräch mit dem Barkeeper mitten in der Nacht sondern die Klage einer zutiefst verwundeten Frau.

Die Stimme der Holiday ist nach jahrelangem Missbrauch von Alkohol und Heroin rauher und weniger flexibel als in den frühen Swingzeiten, als sie als eine der ersten Frauen wirklich Jazz zu singen begann. Doch sie bezieht diese Beschränkungen in die Gestaltung jeder Note mit ein. So wird ihre Stimme zu einem Instrument in der Band – und dieses Instrument transportiert mehr, als die teilweise recht simplen Texte der Standards.

Die Tonqualität der Verve Master Editionen ist ausgezeichnet. Die Intimität der Sessions ist selbst durch kleine Computerlautsprecher noch spürbar.