Erst nach dem Tod seines Vaters Muddy Waters hatte Big Bill Morganfield begonnen, ernsthaft Musik zu machen. Damit ging er ähnlich vor wie sein Halbbruder Mud Morganfield. Für sein siebentes Album „Bloodstains on the Wall“ wurde er bei einem Teil der Aufnahmen begleitet von der Mofo Party Band. Bei den anderen Nummern unterstützten ihn Musiker wie Colin Linden, Bob Margolin, Eddie Taylor Jr., Steve Guyger und andere.
Beim ersten Hören könnte man denken, dass hier Muddy Waters singt. So wie auch sein Halbbruder Mud Morganfield hat auch Big Bill eine Baritonstimme, die enorm an seinen Vater erinnert. Die Songs auf dem Album klingen mal nach klassischem Blues der Chess-Ära, mal nach Deltablues der Vorkriegszeit, mal nach Jumpblues und in „Hold Me Baby“ sogar nach Hiphop.
„Lost Without Love“ setzt zu Beginn des Albums einen düsteren Akzent. Voller verhallender Echos bauen die Gitarren eine Stimmung tief aus dem Delta auf. Lonesome Sundowns Nummer hätte so auch schon zu Zeiten von Electric Mud entstanden sein können. Allerdings ist hier die Begleitung wesentlich reduzierter als damals beim Daddy.
Bei „Don’t Know Why“ sind wir dann wirklich beim Repertoire des Vaters angekommen. Die Nummer von Willie Dixon wird hier als feinster Chicagoblues zelebriert. An der Gitarre ist Bob Margolin zu hören. Und Steve Guyger zelebriert auf der chromatischen Harp einen Sound, der wie eine Kombination aus Little Walter und Sonny Boy Williamson II daherkommt. „When You Lose Someone You Love“ ist ein Lied von Big Bill, mit dem er an den Tod seiner Mutter erinnert. Aber die Musik basiert gehörig auf „You Can’t Lose What You Never Had“ seines Vaters. Trotzdem ein toller Blues mit Bartek Szopinski am Klavier und einem schneidenden Slide-Sound von Morganfields Gitarre.
Mit gehörigem Humor widmet er sich dem Jump Blues von Jimmy Cracklins „Help The Bear“. Und auch wenn „Wake Up Baby“ als Song aus dem Repertoire von Popsängerin Lisa Stansfield aufgeführt wird: das ist eine ebenso humorvolle Bearbeitung des alten Klassikers „Cabbage Head“.
Ganz zum Ende dann die größte musikalische Überraschung: „Hold Me Baby“ schrieb Morganfield als einen von mehreren Songs für die TV-Serie „Shots Fired“ über die Polizeigewalt gegen junge Farbige. Produziert von einem Hiphopper wird seine Gitarre hier von elektronischen Beats und Sounds kontrastiert. Hier ist der Blues des Vaters endgültig in die Gegenwart katapultiert worden.
„Bloodstains on the Wall“ ist ein empfehlenswertes Album nicht nur für die zahllosen Fans von Muddy Waters sondern für alle Freunde klassischer und moderner Bluessounds. Big Bill Morganfield mag noch immer auf der Suche nach seinem ganz eigenen Sound jenseits des übergroßen Schatten seines Vaters sein. Doch mit dieser Scheibe hat er einen großen Schritt dahin vollzogen.