Adrian Younge ist ein autodidaktischer Musiker und Produzent aus Los Angeles, der in kein festes Genre gesteckt werden kann. Ohne zu wissen mit welcher Intention Younge seine Musik produziert, kann man keine gerechte Einschätzung abgeben. Er will Musik schaffen, in der Elemente zum Sampeln vorhanden sind. Seine Anstrengung gleichzeitig auf die Wurzeln des Hip-Hop zu weisen und dabei ein beeindruckendes Gesamtwerk, das auch für sich stehen kann, zu produzieren, verwandelt sich in gehörte Leichtigkeit, sobald eine Sitar auf dem ersten Track „Sittin by the Radio“ von „Something About April II“ erklingt.
Das Nachfolgewerk zum gefeierten Vorgänger „Something About April“ ist bestechend. Die Musik ist spannend, detailliert und psychedelisch. Younge hat seine Band Venice Dawn in harmonischer und eng abgestimmter Art zu einem schwebenden Meisterwerk dirigiert.
Für mich sind die Tracks auf dieser LP eine Mischung aus durchgehender Liebesgeschichte mit Tragödie und Hochgefühl. Die Geschichte ist eine emotionale Aufschlüsselung der erotischen, liebenden Erfahrung von Menschen, die in düsterer Gewissheit ihre nur auf Frist angelegte Zeit verbringen. Musik kann eben tröstend sein und helfen, Emotionen greifbar zu machen. „Sittin by the Radio“ fängt dieses Gefühl perfekt ein. Die soulgetränkte Stimme von Loren Oden singt: „Sittin by the radio… the sky is cryin‘…“. Vielleicht ist das ja eine Überinterpretation meinerseits.
Die Impressionen bekam ich erst beim dritten und vierten Hören des Albums. Was nach dem ersten Hören bleibt ist Neugier auf mehr. Beim zweiten Hören bleiben die Detailverliebtheit und der Fluss der Musik im Ohr zurück. Younges Musik berührt viele Genres: trockene Snares und Hi-Hats aus dem HipHop, Gesänge mit Marvin Gaye-Gefühl, Gitarren aus dem Psychedelic Rock, Chöre wie aus der Kirche, Orgelklänge wie frisch aus den 70er Jahren auf die Platte transferiert und französisches Spoken Word.
Gute Musik zeichnet sich immer dadurch aus, so vielschichtig und stimmig zu sein, dass sie bei jedem neuen akustischen Treffen vertraut klingt und dennoch Raum für Neuentdeckungen lässt. Die langsam aufbauende Nummer „April Sonata“ hält ein kontrolliertes Pianospiel bereit und überrascht beim nächsten Hören mit der intensiven Stimmung der Sängerinnen. Das nachfolgende „Hands Of God“ stellt Opernstimmen (und die offensichtliche Verneigung vor Ennio Morricone) mit einem Intro wie aus einem Track des Wu-Tang Clan zusammen – aber schnell verschwinden die männlichen Drohgeräusche und werden von traurigen Bläsern und melancholischen Sängerinnen verdrängt. Der Aufbau des Albums ist makellos. „Sea Motet“ ist der erste Instrumentaltrack. Er hat hohes Samplingspotential. Er gibt Gelegenheit das Duett aus dem vorhergehenden „Step Beyond“ zu verarbeiten, das mit der Textzeile „Let’s Die Together…“ ein Liebeslied bis ins Extrem, hin zur Selbstaufgabe, ist.
Dieses Album ist Hochgenuss zum allein hören, es ist perfekte Hintergrundmusik für eine romantische Zeit, es ist eine Angelegenheit höchster Wichtigkeit für Musikenthusiasten- und -nerds, es ist Quelle für Samples neuer HipHop-Produktionen (es steht außer Frage, dass einige Elemente dieses Album noch 2016 von den großen Produzenten des Genres verwendet werden). Meine Hörempfehlungen sind: „Sittin by the radio“, „Memories of War“ und „Magic Music“. Eine absolute Kaufempfehlung für dieses Album mit optischer Erotik und Sinnlichkeit vorne, hinten und innen wird hiermit ausgesprochen! (Linear Labs/rough trade)