Grimmen ist eigentlich kein Ort, wo man hinfährt, wenn man nicht gerade ein Fan von Stock-Car-Rennen ist. Die pommersche Kleinstadt wirkt nicht nur ein wenig verschlafen an einem Sonntagabend. Zwischen Plakaten für Frank Schöbel & Chris Doerk oder dem Bierfest zur Deutschen Einheit dann das eigentlich überraschende: Ein Konzert mit der Tony Vega Band aus Houston. Termin: Sonntag, 3. Oktober. Tag der Einheit.
Nein, noch kommt man nicht rein. Die Frau am Einlass des Kulturhauses Treffpunkt Europas verweist auf die Uhrzeit: Es ist erst halb sieben. Einlass ist erst in einer halben Stunde. Aber sie hat einen Tipp gegen den Hunger parat: gleich über die Straße ist ein Bistro, wo man essen können soll. Das Bistro 2000 (oder ist es 3000) ist eigentlich eine kleine Dönerbude. Aber hinten stehen paar Tische, ein Großbildfernseher ist fest auf RTL 2 eingestellt und zeigt eine Motorshow. Ein einzelner Computer macht den Laden gleichzeitig noch zum Internetcafé. Vom Besucheransturm überfordert, muss man auf seine Pizza aber eine Stunde warten – ein einzelner Koch ist damit überfordert, wenn gleichzeitig rund acht Leute was anderes als Döner von der Karte bestellen. Aber irgendwann ist man dann doch gesättigt und stellt fest: Hier sind offebar ne Menge Leute willens, eine Bluesparty zu feiern. Knapp 100 Besucher sind gekommen, um Tony Vega mit seiner aktuellen Scheibe "Dog Gone Shame" zu hören. Der Bluesrocker aus Houston ist seit 2001 regelmäßig auch in Vorpommern zu Gast und hat daher schon eine Fangemeinde auch in der Region.
Die ersten Töne machen es klar: Hier ist eine eingespielte Bluesrockmaschine am Laufen. Die Rhythmen von Schlagzeuger Theo Thumper (frisch in der Kategorie "Best Drummer" für einen Dutch Blues Award nominiert) und Bassist Maarten "Hills" van Heuvelen stampfen den Boogie. Und die Gitarre von Vega setzt mit ihren Klängen irgendwo zwischen Albert Collins, Freddy King und ZZ Top hektische bis fast brutale Linien. Das ist kein Wohlfühlblues. Das ist ernsthafter Rock eines erstaunlich jung wirkenden Musikers. Das ist Bluesrock aus der Sicht eines Musikers, der erst über den Umweg von Hardrock und Heavy Metal irgendwann zum Blues fand. Fast verloren wirkt über dem brodelnden Boogie die jungsmäßige Stimme Vegas, kann sich manchmal nur schwer aus den metallisch schneidenden Gitarrenlinien lösen. Dann immer wieder wie
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Doch die Besucher gehen fast von Anfang an mit: Verzückte Gesichter bei den anwesenden Gitarristen, zufriedenes Kopfnicken bei Jung und Alt. Irgendwann dann die ersten Tänzerinnen vor der Bühne. Und spätestens zu Beginn des zweiten Sets gibt es kein Halten mehr: Blues ist eine Tanzmusik. Und so wird das Konzert zu einem Familientanz. Vega und seine Band genießen das sichtlich und beginnen zeitweise voller Vergnügen zu swingen. Irgendwann ist Schluss. Oder doch nicht. Denn Tony geht mit Thomas Reich und Udo Griewahn wieder auf die Bühne. Beide stammen aus der Band von Dr. T und sind in den letzten Jahren zu einem wirklich swingenden Shuffle-Duo zusammen gewachsen. Der Blues wird sofort leichter, die Gitarre wirkt weniger heftig. Der Blues ist irgendwie – man verzeiche den Begriff – weiblicher. Die gegenseitige Wertschätzung zwischen den deutschen und amerikanischen Musikern ist in jeder Note spürbar. Dann ist es nach elf Uhr am Abend. Schnell leert sich der Saal. Am Montag ist schließlich ein Arbeitstag. Doch man geht mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht in die Nacht.
Eigentlich sollte man häufiger nach Grimmen fahren. Wenn es denn öfter solche Konzerte gibt.
PS.: In der ursprünglichen Fassung hatten wir leider die Namen seiner amerikanischen Rhythmusgruppe geschrieben. Auf Tour ist er allerdings mit anderen Musikern. Dafür bitten wir um Entschuldigung.