Mali ist mittlerweile nicht nur für Weltmusikhörer sondern auch für "normale" Popmusikkonsumenten ein Begriff. Doch Bands wie Tamikrest passen nicht in so ein Schema. Auf ihrer aktuellen Scheibe Toumastin verbinden sie die Grooves der Tuareg mit Reggae und Bluesgitarren.
Die Gitarrenlinien singen mit einer Monotonie, wie man sie in den westlichen Kulturkreisen höchstens von John Lee Hooker gewöhnt war. Die Rhythmen und Melodien allerdings sind ganz der arabischen Folklore auf dem afrikansichen Kontinent verbunden. Wenn es da nicht ab und zu entspannte ganz nach Reggae klingende Episoden gäbe: Die Musik von Tamikrest ist in ihrer Summe eindeutig ein Produkt Afrikas. Sie ist spannend, experimentell und hypnotisch.
Und – und das unterscheidet sie ganz gehörig von Rockplatten Europas oder der USA – sie ist zutiefst politisch. Denn die Musiker von Tamikrest, die alle zum Volk der Touareg gehören, wollen in der Welt auf das Schicksal ihres Volkes aufmerksam machen. Als Nomadenvolk in der Sahara sehen sie ihren Lebensraum seit Jahrzehnten immer mehr in Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Ländern der Region zerrieben. Ihre traditionelle Lebensweise wird Stück für Stück unmöglich gemacht.
Ebenso wollen sie auch – und das machen sie in ihrer Deklaration im Booklet des bei Glitterhouse erscheinenden Albums Toumastin deutlich – ihre eigenen Jugendlichen dazu bringen, sich für die Freiheit und für die Erhaltung ihrer Traditionen stark machen. Noch immer sind die Spuren eines langen Bürgerkriegs in der Region nicht verschwunden. Doch die Hoffnungen auf Veränderungen und Erleichterungen scheinen den Menschen abhanden gekommen zu sein. Und so sind die Lieder von Toumastin nicht nur traditionellen Themen von Rockmusik wie der Liebe verpflichtet sondern sich gleichzeitig hochpolitische Äußerungen.
In einer Zeit, wo man sich in Europa mehr um modische Gimmicks von Bands oder um das nächstfällige Revival alter Sounds kümmert, ist dies ein anachronistisch anmutender Ansatz. Wir haben uns zu sehr dran gewöhnt, dass Pop und Rock allein auf ihre Unterhaltungsfunktion reduziert werden. Erinnerungen daran, wie Platten etwa von John Lennon, den Stones oder Clash gleichzeitig auch das politische Lebensgefühl der Konsumenten widerspiegelten und beeinflussten, haben wahrscheinlich nur noch die älteren Generationen. Aber wer sagt denn, dass wir hier nicht von der rockmusikalischen Jugend Afrikas lernen können?
Toumastin von Tamikrest erscheint am 21. April bei Glitterhouse.