2011 war es dass ich mit mit einigen Freunden und knapp 1000 Gleichgesinnten zu einem Konzert nach Bonn pilgerte. Gregg Allman lud zum erweiterten Familienfest auf der Museumsmeile ein, eine quasi-religiöse Erfahrung, nicht zuletzt dem Opener, der über jeden Zweifel erhabenen Tedeschi-Trucks Band, zum Dank. Dies wird hier allerdings keine Konzertreview, auch Herr Allmans superbes Spätwerk ‚Low Country Blues‘ wird hier unerwähnt bleiben. Hier geht es um den Mann an der Gibson ES 336 der an jenem Tag in Bonn in Gregg Allmans Band einen bleibenden Eindruck hinterließ.

Nun lockt ein guter Gitarrist niemanden mehr hinterm Ofen vor, und das ist gut so. Zu oft wurde Fertigkeit am Instrument der Musik vorangestellt und die Gitarre und ihre Vertreter erhielten zurecht einen zweifelhaften Ruf. Es gibt allerdings Gründe warum Gregg Allman sich Scott Sharrard, jenen Mittdreißiger aus Harlem/NYC, ins Boot geholt hat und ihn damit in eine Liga mit Jack Pearson, Jimmy Herring, Derek Trucks, vielleicht sogar dem heute längst ikonisierten Betts/Allman-Duo hievte.

Mitte 2012 veröffentlichte Scott Sharrard mit seiner eigenen Band ein Album auf Soundcloud, kostenlos und legal. In der Zwischenzeit hatte ich mich ein wenig über ihn schlau gemacht und mich in sein Album ‚Analog/Monolog‘ von 2008 verliebt. Dort wird ein gewaltiger Soulstew zubereitet der dem Hörer zu allererst einen guten Rat gibt, den ich nur teilen kann: put your Soulrecords on.

Er kann also spielen wie Grant Green, beherrscht ansonsten alle Kings (und mehr) ohne es einem jemals ins Gesicht zu reiben. Tone halt. Dazu ein schier grenzenloses Repertoire und eine Stimme die mich seltsamerweise am ehesten an Richie Kotzen erinnert, minus das antiquierte L.A.-Getue das einem heute keiner mehr abkauft der seine Sinne beisammen hat. Und hier zeigt sich eins der der stärksten Asse Sharrards: er ist an die American Lineage angeschlossen.

Nun also zu der Platte um die es hier geht: Scott Sharrard & the Brickyard Band. Da finden sich Moses Patrou und Diego Voglino manchmal auch in bester Allman Brothers/Grateful Dead – Manier gemeinsam an den Drums, Ben Stivers an sämtlichen Tasten, Marcus Parsley an der Trompete, Jay Collins und Ian Hendrickson-Smith an Bariton-, Alto-, und Tenorsaxofon, Chrsitian Courtin an der Violine, Colette Alexander am Cello, und schließlich Connor Kennedy an der zweiten Gitarre.

Es wurde also live aufgenommen in den Applehead Studios in Woodstock/New York womit ein begrüßenswerter und nur folgerichtiger Trend bedient wird in Zeiten in denen man mit einer dermassen beispiellosen Flut an Müll überflutet wird dass viele vergessen zu haben scheinen was ein Musiker eigentlich ist bzw welche Musiker (ein ‚Berufsbild‘ dass je nach Perspektive beinahe zum Schimpfwort verkommt) Respekt verdienen.

Sehr schön ist die Coverauswahl: Stone Rollin‚ von NeoSoul-Chef Raphael Saadiq was von dessen Gitarristen Josh Smith persönlich und mehr als wohlwollend abgenickt wurde. Dazu One Little Thing von Gilian Welch, eine fantastische Version von Lil‘ Son Jacksons Freedom Train die in Sachen heaviness manch eine Stonerrock-Kapelle zurück zur Schule schickt, und schließlich Solitude von Duke Ellington das schlicht und einfach klingt wie man sich wünscht dass New York City klingen sollte.

Ansonsten teilen sich Sharrard und Moses Patrou die Songwritingpflichten, erstaunlich wenn man bemerkt wie sehr aus einem Guss diese Platte klingt. Womöglich liegt es auch am Mentor Levon Helm, der sich immer der Pflege vielversprechender Nachwuchstalente widmete, zuletzt beim viel zu früh verstorbenen und überirdisch guten Sean Costello, der ja wiederrum seine Karriere bei Susan Tedeschi begann. Ihr merkt, hier schließen sich Kreise…

Der Opener Debt gibt direkt die Marschrichtung vor, es kommt kein Geld rein, aber einer muss die Linie halt fortführen, sonst geht ein Vermächtnis verloren das sehr erhaltenswert ist. Dafür macht er sich auch mal nach Memphis aus um die Vergangenheit zu ‚jagen‘ (Endless Road), oder erlebt düstere Phasen in denen er alles hinwerfen will (Love Like Kerosene). Aber, und das ist zumindest mir persönlich sehr wichtig, klingt die Musik allen Verweisen und Referenzen zum Trotz niemals museal. Sicher, er scheint archivarischer Kenner sämtlicher Rootsmusic-Stile zu sein – nein- ist es ganz sicher, aber der lehrerhafte Muff der so oft ein Begleiter immensen Wissens ist fehlt hier zum Glück. Scott Sharrard hat seine eigene Identität, und selbst wenn man glauben könnte eine lässige Groovenummer wie Rainy Day vielleicht schon einmal gehört zu haben, so funktioniert sie immer wieder.

Völlig unbeirrt von etwaigen Trends, die dankenswerterweise inzwischen großflächig ignoriert werden, denkt Scott Sharrard gar nicht erst daran, corporate zu werden und sich einem völlig maroden und völlig irrelevanten System einer Musikindustrie zu beugen, das sich mehr und mehr zusammenschrumpft und recht bald vielleicht sogar verschwunden sein wird. Noch schöner ist, dass diese Attitüde niemals auf Kosten der Dignität vorgeführt wird. Hier ist ein ernsthafter Künstler, der das tut was er tut, und lediglich en passant part of the solution ist. Es bedarf keines Hypes oder Lobhudelei, es spricht wirklich alles für sich. Die Alben sind allesamt kostenlos, legal und in voller Länge im Netz zu hören, es ist jedem selbst überlassen sie zu kaufen.  

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