Robert Johnson ist eine fast mythische Figur in der Geschichte des Blues. Die Chronologie seines Lebens ist irgendwie neblig – wir sind sogar unsicher, wann er geboren wurde, aber das war wahrscheinlich um 1911 herum in Hazelhurst, Mississippi. Die Umstände seines Todes wurden viel diskutiert zusammen mit der Frage, wo er begraben wurde. Wahrscheinlich ist aber, dass er 1938 ermordet (vergiftet) wurde vom eifersüchtigen Ehemann einer Frau, mit der Johnson etwas angefangen hatte. Wir kennen die Daten von einigen Aufnahmen, die er gemacht hat und wir haben 41 Tracks von den insgesamt 29 Songs, die er aufgenommen hat. Und doch, trotz seines kurzen Lebens und der geringen Menge aufgenommener Stücke ist Johnson wahrscheinlich der einflussreichste aller Delta-Bluesmen – zweifelsohne wegen seines einfallsreichen, wandlungsfähigen und meisterhaften Gitarrenspiels und seines kraftvollen Gesangs, der Fauchen, Schreien und tonreichen Falsettgesang gleichermaßen beinhaltete. Und: Johnson war in der Lage, „den Blues in verkäufliche Populärmusik zu verwandeln“ (Ted Giola)

Zwischen Höllenhunden und Lynchjustiz – Eine Annäherung an Johnsons Klassiker

Zu seinen Lebzeiten und noch Jahrzehnte nach seinem Tod war Johnson relativ unbekannt, doch nach der Wiederveröffentlichung seiner Aufnahmen 1961 auf der LP „King of the Delta Blues Singers“ wurde er ein Blues-Star, bewundert und popularisiert von Rockmusikern wie den Rolling Stones, Eric Clapton, von Jeff Beck bis zu Jimi Hendrix. Clapton sagte über Johnson: „Zuerst stieß mich die Musik ab, sie war so intensiv und dieser Mann machte keinen Versuch, das was er sagen oder spielen wollte, mit ein wenig Zuckerguss zu versüßen. Das war Hardcore, mehr als alles, was ich jemals gehört hatte. Nach ein paar Mal Hören merkte ich, dass ich auf einem gewissen Level den Meister gefunden hatte und dass es die Aufgabe meines Lebens sein würde, dem Beispiel dieses Mannes zu folgen.“ In seinem Buch „Chronicles“ schrieb Bob Dylan: „Wenn Johnson zu singen begann, erschien er wie ein Typ, der mit voller Rüstung dem Kopf des Zeus entsprungen sein könnte.“

Einer von Johnsons einflussreichsten Songs war „Hellhound on My Trail“, den er 1937 aufgenommen hatte. Es war der erste Song, der bei Johnsons letzter Aufnahmesession am 20. Juni 1937 in Dallas aufgenommen wurde und die erste Single, die von dieser Session auf den Markt kam. Inspiriert von älteren Bluessongs ist es eine von Johnsons „bekanntesten und am meisten bewunderten Interpretationen – viele würden sogar sagen: seine großartigste“. (Giola)
Das Thema des Songs ist ein gewohntes für einen Bluesman seinerzeit: das „Rambling“, niemals lange an einem Ort zu verweilen:

I got to keep moving, I got to keep moving
Blues falling down like hail, blues falling down like hail

Das Thema scheint beim ersten Blick ähnlich zu einem anderen Lied zu sein, das Johnson aufgenommen hatte: „Ramblin‘ on My Mind“ I got ramblin‘, I got ramblin‘ on my mind/ Hate to leave my baby but you treats me so unkind. Wie viele seiner Zeitgenossen war Johnson ständig in Bewegung, zog von Stadt zu Stadt im Delta und dem ganzen Mississippi-Gebiet. Und er zog von Frau zu Frau. David „Honeyboy“ Edwards sagte von Johnson: „Er liebte whiskey und er liebte Frauen. Das waren die zwei Dinge, nach denen er verrückt war.“ Aber vielleicht steckt da noch mehr in „Hellhound“ als der umherziehende Bluesman, der nur ungern lang an einem Platz verweilt, der seiner Frau untreu ist und einfach nur den nächsten Zug nehmen will.

In seinem Buch „Seems Like Murder Here“ bietet Adam Gussow ein provokantes neues Verständnis über die Entstehung des Blues an. Für Gussow beginnt das Verstehen des Blues mit den Lynchmorden und der gewalttätigen Realitat des Lebens der afrikanischstämmigen Amerikan im Süden von Jim Crow. Die meisten von uns haben keine Vorstellung davon, was es bedeutet, schwarz zu sein – und mehr noch: was es bedeutete, ein schwarzer Mann in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts in den Südstaaten der USA zu sein. Afrikanischstämmige Amerikaner waren degradiert zu Bürgern zweiter Klasse. In Zeitungen und Magazinen wurden sie routinemäßig als Nigger, Coons oder Darkies bezeichnet. Schwarze wurden unterdrückt, marginalisiert und gezwungen, Würdelosigkeit, Armut und Hoffnungslosigkeit zu erdulden. Man hielt sie am Boden mit der Drohung von Gewalt, ausgeübt von den Behörden oder von ihnen legitimiert.
Jedes schwarze Kind in dieser Zeit erkannte „die schreckliche Unfairness und Enge dieser Welt – die beschränkten Möglichkeiten, die Notwendigkeit, Ambitionen zu zügeln, Gefühle zurückzuhalten und jedes Wort, jede Geste und Bewegung sorgfältig abzuwägen, wenn man in Gegenwart von Weißen war“ (Leon Litwack). Die Ungerechtigkeit nahm viele Formen an, doch sie war eingebaut in das Gefüge des Lebens. Es mag beispielsweise einfach der Fakt gewesen sein, von Bussen oder Eisenbahnwagen ausgeschlossen zu sein. Der junge James Robinson (geboren 1907), versuchte in Knoxville (Tennessee) einen Bus zu besteigen und wurde von einer weißen Person rauh zurückgezogen, die ihn anbrüllte: „You damn little darkey, didn‘t anybody learn you to stay in your place? You get the hell back there and weit till the white people get on the bus. Give a nigger an inch and he‘ll take a mile.“ (JH Robinson)

Aber es gabe eine immer und überall präsente Drohung von Gewalt und das Phantom des Lynchens wurde zum Mittel der Terrorisierung von Weißen gegen die Schwarzen, es wurde genutzt, um die weiße Vorherrschaft zu verteidigen und die Schwarzen zu erniedrigen und zu kontrollieren. Normalerweise geschah es durch Hängen, aber auch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen kam vor. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass in den Vereinigten Staaten zwischen 1882 und 1968 3500 afrikanischstämmige Amerikaner gelyncht wurden, die meisten zwischen 1882 und 1920. Lynchen war weitverbreitet und normal im Süden während der Jim Crow Zeit und die Schwarzen lebten in beständiger Furcht um ihr Leben wegen der unberechenbaren Natur des Lynchens. Ob man eine weiße Frau auf die „falsche Art“ anschaute oder sich auf eine Weise verhielt, die als hochnäsig angesehen wurde – das war oft schon genug, um Weiße in einen Lynchmob zu verwandeln. Bluesman Skip James sagte einfach: „They‘d lynch you in a minute.“

Für Gussow war es diese Androhung von Gewalt, die den Blues entstehen half und die Ursache für das „Ramblin“ der Bluesmen war. In diesem Kontext hallt das in Robert Johnson‘s Hellhound sehr stark wieder:

I can tell the wind is risin’, the leaves tremblin’ on the tree
Tremblin’ on the tree
I can tell the wind is risin’, leaves tremblin’ on the tree

Schwer in diesen Zeilen sich nicht an den „Lynchin Tree“ zu erinnern, nicht wahr? Gussow sagt, dass das Lynchen einen breiten Schatten über die Tradition der Blues-Lyrics geworfen habe. In Johnson‘s Song, treibt er sich nicht nur einfach herum, er wird getrieben – vielleicht bei dem Blues-Alptraum, dem Höllenhund, von weißer Gewalt und Lynchmord.

Mmm, blues falling down like hail, blues falling down like hail
And the day keeps on remindin’ me, there’s a hellhound on my trail
Hellhound on my trail, hellhound on my trail.

Die tägliche Konfrontation mit dieser Drohung, argumentiert Gussow, habe den Aufstieg des Blues gefördert als eine Art, mit der Drohung umzugehen, indem man sie im Lied in verschlüsselter Form ausspricht.Wir sind hier weit jenseits des Gebiets von einfacher Einsamkeit und Rastlosigkeit – wir befinden uns in einer Region, wo Menschen verzweifelt versuchen, ihre Menschlichkeit zu bewahren, ihr pures sein zu erhalten in einer Gesellschaft, die alles darauf anlegte, sie als „Nicht-Seiende“ zu klassifizieren.
Der andere Weg, auf dem schwarze Menschen dies versuchten, war natürlich der durch ihren Glauben. Die Bibel – so wie auch der Blues – proklamiert Leben in Mitten des Todes und Menschlichkeit in Mitten der Kräfte des Bösen. Das Buch der Psalmen schreit den Blues der Unterdrückten heraus:

Merke auf mich und erhöre mich, obwohl ich umherirre in meiner Klage und unruhig bin, vor dem Brüllen des Feindes, vor der Bedrückung des Gottlosen; denn sie überhäufen mich mit Beschuldigungen und befeinden mich grimmig! (Psalm 55,2-3)

Aber es hält an der Hoffnung auf Gottes Rettung fest:

Denn der Arme bleibt nicht für immer vergessen, / seine Hoffnung ist nicht für immer dahin. (Psalm 9,19)

Und dann ist da natürlich noch der Brief des Paulus an die Christen in Rom aus dem 1. Jahrhundert, die waren auch arm, einige völlig mittellos, aber alle unterdrückt:

Denn ich bin überzeugt: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch andere Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, (Epheser 6.12) 39 weder hohe Kräfte noch tiefe Gewalten – nichts in der ganzen Schöpfung kann uns von der Liebe Gottes trennen.
(Römer 8, 38-39)

Der Höllenhund mag uns buchstäblich auf der Spur sein, aber wir können trotz allem an unserer Menschlichkeit festhalten und und uns auf die allumfassende Liebe Gottes verlassen.