Gerade bei Fans der härteren Bluesgitarre hat es ein Musiker wie der Sänger und Gitarrist Robert Cray schwer. Kritiker verspotten den 1953 geborenen Musiker gerne mal als Yuppie-Blueser oder Bluesman für Leute in Nadelstreifen. Dabei hat neben Stevie Ray Vaughan kaum ein anderer Musiker in den 80er Jahren mehr für das damalige Bluesrevival getan wie er. Jetzt erscheint mit „Nothing But Love“ das 15. Album seit seinem Debüt „Who’s Been Talkin“ (1980). Und auch dabei fühlen sich viele sofort in ihren Vorurteilen bestätigt.

Die Stimme ist rauh aber einschmeichelnd wie bei kaum einem anderen Soulblueser. Seine Gitarre spielt niemals eine Note zuviel. Und immer ist die Musik vor allem eines: elegant. So war Robert Cray schon 1986 mit seinem weltweit in die Hitparaden gelangten Album „Strong Persuader“, das mittlerweile selbst in der Blues Hall of Fame Aufnahme gefunden hat. Und so ist Robert Cray auch noch im Jahre 2012: Elegant, einschmeichelnd, perfekt bis in die kleinsten Nuancen. Wenn man den persönlichen Ausdruck eines Musikers in den Kanten und Unebenheiten sucht, dann findet man hier nichts. Doch dann hat man auch nicht verstanden, worum es Musikern wie ihm geht, nämlich um eine Fortschreibung der Geschichte des Soulblues, wie er von Musikern wie B.B. King angedeutet und später von Bobby „Blue“ Bland, O.V. Wright und anderen entwickelt wurde: Blues mit jeder Menge Soul für ein modernes Publikum, für die die Erinnerungen an das Mississippi-Delta nicht mehr relevant sind und die unempfänglich für die Versuche sind, Rockumusik unter falschen Vorzeichen als zeitgenössischen Blues zu verkaufen.

„Meiner Meinung nach ist Cray einfach einer der besten modernen Bluesgitarristen der letzten 50 Jahre,“ schreibt der Bluesgitarrist Woody Russel nach einem Konzert. „Ich glaube, er wird so ein Gitarrist wie Hubert Sumlin werden, dessen Spiel von allen Schülern studiert werden muss. Er verdient es, im Alter zu einer echten Legende der Blues-Tradition zu werden. Denn sein Spiel ist einfach brilliant: so geduldig und aussagekräftig. Jede Note ist wie ein ausformulierter Satz, jede Phrase ein kompletter Gedanke. Robert Cray spielt keine Licks, du kannst nicht lernen, wie er zu spielen, indem du seine Riffs klaust. Denn sein Spiel ist vollkommen auf Kommunikation und Verbindung zum Hörer hin ausgerichtet. Es ist so innerlich und persönlich, dass es einfach keinen schnellen Unterricht dafür geben kann, keine Sammlung von Riffs – denn das käme seiner Hinrichtung gleich. Was er als Gitarrist leistet, diese unberührbare Qualität, diese Finesse: das ist der Schlüssel für den wahren und großen Blues-Ton, wie jeder angehende Gitarrist wissen oder zumindest in Erwägung ziehen sollte. Wie ich schon bemerkt habe: Er klingt einfach nur nach sich selbst. Er ist ein echter Meister der Musik.“

Wie er etwa auf seinem aktuellen Album die Ballade „I’m Done Crying“ aufbaut mit einem über acht Minuten ansteigenden Spannungsbogen, das macht ihm so schnell keiner nach. Nicht nur als Soulsänger ist er hier umwerfend. Auch seine immer wieder sparsam eingestreuten Gitarrenkommentare, die die wuchtige Streicherbegleitung auflockern zeugen von einer Rafinesse, die es selten gibt. Da verschmilzt in seinem Spiel der kalte Ton von Musikern wie Albert Collins mit der Gefühlstiefe des jungen B.B. King ohne jemals eine Kopie derselben zu werden. Nein: Robert Cray mag poliert sein, er mag mit seiner Musik immer auch die Radiotauglichkeit im Blick haben. Doch was er spielt, ist von einer Tiefe, die die glänzende Oberfläche nur anfänglich verbergen kann. Auch Lieder wie der funkig lospreschende Opener „Won’t Be Coming Home“ oder das mit Pianobegleitung losrockende „Side Dish“ machen klar, dass Robert Cray eben wirklich ein Meister seines Faches ist. Nein: große Gefühlsausbrüche müssen dafür nicht sein. Es sind gerade die kleinen Nuancen, die leichten Akzente, die das verdeutlichen. Und wenn jemand das als „IKEA-Billy-Bausatz des Blues“ bezeichnet und selbst jemandem wie Gary Moore eine größere Ursprünglichkeit unterstellt, der hat das Prinzip der Sophistication im Soulblues nicht verstanden. Es kommt eben nicht auf den wüsten Ausbruch, sondern auf die Kanalisation der Gefühle in einem dezenten aber wirksamen Spannungsbogen an. Das ist genau das, wofür die gleichen Kritiker einen Musiker wie B.B. King hochpreisen. Wenn aber jemand genau auf diesem Wege fortschreitet, dann ist das auf einmal nicht mehr urpsprünglich. (Dass hier selbst von weißen Kritikern ein farbiger Musiker mit einem schwedischen Möbelhausprodukt beschrieben wird, ist schon reichlich krass besonders wenn ein Musiker wie Gary Moore als Gegenbeispiel herangezogen wird…)

Geboren wurde Robert Cray am 1. August 1953 in Columbus (Georgia) als Kind einer Army-Familie. Schon als Teenager begann er mit dem Gitarrespiel und entwickelte er seine Liebe zu Blues und Soul (und zu seiner Plattensammlung). Eigentlich wollte er Architekt werden, doch daneben spielte er schon in diversen Bands. Und mit 20 Jahren gründete er seine Robert Cray Band und gemeinsam mit dem Sänger/Mundharmonikaspieler Curtis Salgado die Cray-Hawks. Gerade letztere Band brachte ihm einen wichtigen Karriereschub. Denn so kam er zu Filmrollen etwa in „Animal House“ („Ich glaub mich knutscht ein Elch“ lautet der blödsinnige deutsche Titel) und zum ersten richtigen Plattenvertrag bei Mercury 1982. (Der Legende nach waren es die Cray-Hawks und ihr Soulblues, die den letzten Anstoß zur Gründung der legendären Blues Brothers gaben. Curtis Salgado setzten Jake und Elwood ja dann mit dem von Cab Calloway gespielten Hausmeister „Curtis“ im Film auch noch ein eigenes Denkmal.) Und nachdem 1986 „Strong Persuader“ mit der Hitsingle „Smokin‘ Gun“ erschienen war, erhielt er nicht seinen ersten Grammy sondern konnte auch im Vorprogramm etwa von Eric Clapton ein weltweites Publikum erreichen. In den folgenden Jahren hatte er nicht nur mit seinen eigenen Alben Erfolge. Auch spielte er auch diversen Platten unter anderem von John Lee Hooker mit und setzte dort mit seiner prägnanten Gitarre eigene Akzente. Als einer der Höhepunkte des Blues der 80er Jahre geriet dann das Zusammentreffen mit Albert Collins (der schon bei Crays Highschoolabschluss aufgetreten war) und Johnny Copeland für das bei Alligator erschienene Album „Showdown!“. Auch wenn die Scheibe heute durch die kranken Soundvorstellungen der 80er Jahre etwas angestaubt klingt: hier waren drei der prägendsten Bluesgitarren der damaligen Zeit zusammen und zündeten eines der Bluesfeuerwerke, die noch heute wichtig und für Gitarrenschüler unverzichtbar sind.

Auch wenn das Bluesrevival der 80er Jahre bald wieder in sich zusammensank: Robert Cray ist seinem damals gefundenen Stil über die Jahrzehnte treu geblieben und hat das auch immer wieder auf Platten zelebriert. Zuletzt erschien 2009 „This Time“, was in Deutschland damals nur noch als Import in den Handel kam. Jetzt ist der Gitarrist ausgerechnet bei dem für harten Bluesrock bekannten Label Provogue untergekommen und wirkt dort fast wie ein Fremdkörper. Doch „Nothing But Love“ ist in seiner eleganten Schönheit eine der wichtigen Bluesscheiben des Jahres 2012. Auch wenn viele Kritiker ihre Meinung vom „Yuppie-Blues“ für Manager noch immer wiederholen. Aber diese sind wohl auch der Meinung, dass jemand wie Joe Bonamassa der wichtigste Bluesgitarrist der Gegenwart sei. Und in den 80ern war für sie Stevie Ray Vaughan der größere Bluesgitarrist.{module Bluespfaffe}