Predigt vom 20. April 2008 im "Kontorkeller am Markt" von FBG Raimund
Text: Lukas 19, 37-40

Ihr Lieben,

„die Leute gehen nicht mehr in den Gottesdienst, um ihren Glauben zu feiern. Sie gehen dorthin und langweilen sich.“, meint ein gefallener Engel im Film „Dogma“. Und im gleichen Film startet ein Kardinal die Kampagne „Katholizismus Wow!“, um das verstaubte Image der Kirche aufzupolieren. Erster Punkt: Das Kruzifix (deprimierend) wird gegen eine Figur „Kumpel Christus“ ausgetauscht.

(Christus kam nicht, um uns zu deprimieren, sondern um zu inspirieren). Der Film selber ist einfach witzig – und bringt einen trotzdem dazu, über seinen Glauben nachzudenken. Wie ist denn das – wie reden wir von unserem Glauben? Reden wir überhaupt darüber? Singen wir etwa sogar davon?
Wie ist das eigentlich in unserer Gesellschaft mit dem Singen? Natürlich wird gesungen, sehen wir es nicht Woche für Woche in den diversen deutschen Fernsehanstalten. Deutschland sucht den Superstar, und das schon seit Wochen, seit Monaten!!

Aber wenn wir ehrlich analysieren, dann stellen wir deutlich fest, man lässt zwar viel singen, aber man singt selber weniger als früher. CD´s singen uns etwas vor. Im Fernsehen wird gesungen. Aber tendenziell singt man heute weniger selber.

Wie ist das also nun mit dem Singen? Hat die Bibel eigentlich auch etwas dazu zu sagen?
Einige Bibelstellen – einfach einmal zum reinhören.

Ps . 57,8 Mein Herz ist bereit, Gott, / mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.
Jak. 5,13 Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.
Ps. 59,17 Ich aber will von deiner Macht singen und des Morgens rühmen deine Güte; / denn du bist mir Schutz und Zuflucht in meiner Not.
Ps 92,5 Denn, HERR, du lässest mich fröhlich singen von deinen Werken, / und ich rühme die Taten deiner Hände.
1. Chr. 16,23 Singet dem HERRN, alle Lande, / verkündiget täglich sein Heil!

Es ist nur eine ganz kleine Auswahl. Überall und immer wieder berichtet die Bibel davon, wie Menschen singen – und wie sie aus Freude an ihrem Glauben selbst ins Tanzen Ausbrechen.
Von König David berichtet die Bibel etwa, dass er in aller Öffentlichkeit vor der Bundeslade rumgesprungen ist. Er muss ich dermaßen aufgeführt haben, dass seine Frau ihn zurecht weisen wollte. Doch David wollte davon nichts wissen. Wenn ich mit Gott etwas erlebe, dann darf das nicht einfach nur in meinem Kopf stattfinden. Dann muss das nach draußen. Dann sollen auch die Anderen was davon mitbekommen.

Man mag ja zu irgendwelchen Öffentlichkeitskampagnen der Kirchen stehen wie man will – ich finde es wichtig, dass man immer wieder nach neuen Möglichkeiten sucht, von seinem Glauben so zu reden, singen, schreiben, dass sich die Menschen nicht gähnend abwenden, sondern ihr Interesse geweckt wird.
Doch die Predigt ist ja nicht einfach nur eine Pflicht. Eigentlich sollen wir ja davon berichten, was Gott mit unserem Leben anfängt, wo er uns hilft, uns zurechtrückt,… Davon kann man ne Menge spannender Geschichten erzählen. Da muss gar nicht unbedingt die ganze Theologie mit in die zehn oder zwanzig Minuten reingepackt werden. Da reichen die Beispiele schon aus.

Und manchmal ist es eben auch so, dass eine einfache Predigt nicht mehr ausreicht nach dem Motto: Wes das Herz voll ist, des läuft der Mund über. Da ist was in mir in Bewegung gekommen, das ich einfach nicht für mich behalten kann. Ich hab einfach dermaßen gute Laune, dass ich vor mich hin summe/singe/pfeife…

In so eine Situation gehört mein Predigttext. Er steht bei Lukas im 19. Kapitel:
Die Geschichte gehört in den Zusammenhang von Jesu Einzug in Jerusalem.
19,37 Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten,
19,38 und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
19,39 Und einige Pharisäer in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht!
19,40 Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.
Euphorisch feiern die Leute den König, den Sohn Davids, der da im Namen des Herrn kommt, vielleicht so wie die Menschenmassen heute den Papst. Die Jünger rufen Jesus als Messias aus.

Es sind die Jünger selbst, die ihre Kleider ausbreiten und den kommenden König ausrufen. Es sind die Jünger selbst. Seine Weggefährten, seine Schüler und Freunde, die von ihm gelernt und mit ihm gewirkt hatten. Zwei oder drei Jahre lang. Sie wissen, was sie tun. Sie rufen Jesus als den Messias aus, als den lang ersehnten König. Und sie wissen: selbst wenn sein Reich nicht von dieser Welt ist, so wird diese Welt doch sein Reich nicht ignorieren können. Das Reich, von dem Jesus mit Worten und Taten gesprochen hat, Gottes Reich wird diese Welt betreffen: ihre Nöte und ihre Ungerechtigkeiten, ihre Falschheit und ihre unausrottbare Sehnsucht nach Wahrheit und Gerechtigkeit.

Wo Menschen lange geschwiegen haben und wo sie dann plötzlich zu hoffen beginnen, da fangen sie auch an zu reden, zu rufen, zu skandieren, zu singen. Lange zurückgehaltene Gefühle greifen nach Worten – und seien es Worte der Lyrik oder des Gebets. Da bricht sich etwas Bahn und ist nicht mehr bereit, den Dienstweg einzuhalten. Wer da in die Welt hineinruft, rechnet nicht innerhalb der Kategorien des Machbaren, des Durchführbaren, des Ordentlichen. Die nach langem Schweigen Rufenden lassen sich nicht mäßigen und nicht zähmen. Sie reden, bevor sich der abwägende Verstand einschalten und zur Vorsicht mahnen kann.

Einigen Pharisäern passt das nicht. Sie sagen zu Jesus, vielleicht nicht einmal unfreundlich, vielleicht in ehrlicher Sorge: „Weise doch deine Jünger zurecht!“

Es ist vernünftig, den Mund zu halten. Es ist vernünftig, nichts zu sagen, vor allem nicht eine Wahrheit, die Folgen hätte. Was Menschen hinausrufen in die Welt – auch an Klage, an Bitte, an Sehnsucht, an Wünschen – das bedarf der Kontrolle durch die, die den Überblick haben – so meinen die Pharisäer, so kann man es aber auch heute immer wieder erleben. Vor allem den Überblick über das Machbare, das Realistische, das Zweckmässige. Nichts ist im Blick auf die öffentliche Ordnung mehr zu fürchten als überspannte Erwartungen, unrealistisches nach den Sternen Greifen oder Utopien verbreiten. Nichts ist im Blick auf die öffentliche Ordnung weniger zu empfehlen als das Übergehen des Dienstweges. Auch der Dienstweg muss stimmen. Ehre, wem Ehre gebührt. Die Autoritäten dürfen nicht übergangen werden.

Und Jesus, angesprochen auf das offensichtliche Fehlverhalten seiner Jünger – wie können sie es wagen, den Messias auszurufen, wenn sich doch politisch und gesellschaftlich nichts ändern wird?! – Jesus stellt sich auf ihre Seite, ergreift Partei für sie.

Es ist beeindruckend, wie er das tut. In keinem der anderen Evangelien finden wir diesen Wortwechsel. Er ist ganz einmalig. Die Pharisäer verlangen von ihm: „Bring sie doch zum Schweigen!“ („Lass sie doch nicht so dummes Zeug reden!“) Und Jesus sagt: „Wenn sie auch schweigen, so werden die Steine schreien!“ Die Steine werden schreien!
Meister , bring deine Jünger zum Schweigen! Er aber erwiderte ihnen: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien!"

Was soll das bedeuten, wenn Jesus sagt: "Wenn meine Jünger schweigen, werden die Steine schreien!"? – In diesem merkwürdigen Bildwort steckt für uns meiner Meinung nach beides: Ein leiser Vorwurf und eine geheime Entlastung!
Vorwurf und Kritik höre ich aus Jesu Worten, weil wir so oft schweigen, wo wir reden müssten, weil wir uns als Christen zu oft verstecken, weil wir uns im Alltag zu wenig zu ihm bekennen und einzustimmen in den Lobpreis Gottes. Das waren noch Zeiten – bin ich versucht zu denken – als man Jesus auffordern musste, seine Jünger zum Schweigen zu bringen! Heute müssten wir bitten: Meister, bring deine Jünger zum Reden! Bring sie dazu, ihren ihren Mund aufzumachen. Herr, bring Deine Jünger zum Sprechen, zum Weitersagen des Glaubens an ihre Kinder und Freunde!

Wir Freibeuter versuchen das ja nicht nur hier im Keller in den Gottesdiensten. Ich freue mich schon drauf, wenn wir wieder mit den Drachenbooten auf's Wasser können. Und dort werden wir in den Wettkämpfen den anderen immer wieder zurufen oder besser -brüllen unser: Im Namen des Herrn! Und wir werden sie auch einladen, mit uns gemeinsam still zu werden vor den Rennen im Hören auf Sprüche der Bibel und im Gebet um Gottes Schutz und Segen. Da werden die Steine nicht schreien müssen. Jedenfalls nicht, so lange wir noch bei Stimme sind.
Aber ich lese auch eine große Entlastung und Ermutigung in diesem eigenartigen Bildwort des Herrn: "…wenn sie schweigen, werden die Steine schreien!":

Selbst, wenn wir den Mund nicht aufbringen, wenn wir die richtigen Worte nicht finden, wenn es uns die Sprache verschlägt – selbst dann wird das Lob Gottes nicht völlig verstummen. Dafür sorgt Gott selbst – und wenn er die Steine zum Schreien bringen muss. Manchmal fehlen einfach die Worte, weil in mir alles durcheinander ist. Manchmal kann ich Gott nicht loben, weil ich ihn völlig verdrängt hab mit meinen Sorgen.

Da meint Jesu: es kommt nicht nur auf uns, auf unsere Worte, auf unseren Einsatz an. Das, was Jesus gesagt und getan hat, seine Botschaft, , all das geht weiter, das ist nicht totzukriegen und nicht totzuschweigen! Wenn mir die Worte fehlen: Irgendwie ruft sich Gott dann selbst wieder in Erinnerung. Und das macht Mut. Jeden Tag wieder neu. Davon lasst uns nicht nur reden sondern auch singen.

AMEN.