Philipper 04,04-07 – Freut Euch! – 13.12.2009

(4) freut euch im Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!
(5) Eure Milde soll allen Menschen bekannt werden; der Herr ist nahe.
(6) Seid um nichts besorgt, sondern laßt in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden;
(7) und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus.

Ihr Lieben,
ich hab lang überlegt, was mir denn in diesem Jahr so wichtig ist, dass es den Platz in der Adventspredigt finden soll. Denn irgendwie ist dieser Gottesdienst ja seit paar Jahren ein ganz besonderer geworden mit der Musik des Gospelkombinats. Und dann hab ich nachgelesen, worüber wir im letzten Jahr gepredigt haben. Und da fiel es mir auf: Ingo hat über die Freude gepredigt. Und da ich versuche, mir nicht die leichten Themen zu suchen, sondern die, die mir selbst besonders schwer fallen – Freut euch!

Was ist wichtig: Paulus meint: Freut euch – allezeit!

Na prima – freuen? Das fällt mir oft schwer, das ist nichts, was ich so einfach auf Befehl tun kann. Freut euch – mir geht so viel durch den Kopf: Ohle ist krank – und ich musste als ich das erfuhr auch mit schrecken mir klarmachen, dass ich in einem alter bin, wo man wirklich nicht mehr jung ist. Auch wenn ich mich oft weigere, mir das einzugestehen.
Freut Euch – da ist auch noch die Debatte, wie das mit den Kneipengottesdiensten im nächsten Jahr weitergehen wird. Da habe ich Menschen enttäuscht – und bin von Menschen enttäuscht worden. Das ist noch lange nicht wirklich ausgesprochen – Freut euch?
Freut euch, seid glücklich! Es ist Adventszeit, die schönste Zeit im Jahr, die Zeit in der alle Wünsche erfüllt werden, die Zeit, in der man sich auf das große Ereignis des Heiligen Abends freuen darf. Bald schon brennen die Kerzen am Lichterbaum und dann sind alle Wünsche erfüllt. Freut euch mit den Menschen, die noch schnell etwas kaufen wollen, freut euch mit den Verkäuferinnen, die nach vier harten Verkaufswochen vielleicht schon etwas mühsam lächeln, freut euch über die guten Angebote und darüber, dass die Rechnung erst im neuen Jahr kommt…

Wo bleibt denn da die wahre Freude? Nein, liebe Gemeinde, irgendwie geht das so nicht. Man kann sich nicht einfach freuen. Freude kommt aus dem Herzen. Sie muss erst wachsen und bricht dann mit aller Macht durch. Nach oft langer Vorbereitung und großer Mühe kommt Freude auf.
Oder eben auch nicht – doch Paulus hat noch eine Ergänzung, die ich erst mal ganz einfach und bösartig fortgelassen habe: Freut Euch im Herrn allezeit! Das meint doch schon ganz was anderes. Aber es ist mindestens ebenso schwer zu befolgen wie die einfache Freude.
Das meint: Lasst Euch immer zu von Gottes Wort, von seiner Liebe anstecken! Gott soll der Mittelpunkt Eures Lebens zu jedem Zeitpunkt sein. Prima, dass nun wieder – wo bleibt jetzt die Offenheit, die die Kneipengottesdienste doch auszeichnen sollen? Schon wieder nur der Tipp: Versuchts mit Gott heute und immer wieder? Ja genau! Genau das kann ich nie genug wiederholen.
Ich brauche mich nicht hinzustellen und über Dinge zu reden, die Euch und mir selbstverständlich sind. Die Zeit könnte man sich sparen, statt dessen lieber noch ein Lied hören oder auch mitsingen.
Es mag nervig sein – doch ich werde auch in Zukunft hier nicht mehr locker lassen – wenn wir hier Gottesdienst gemeinsam feiern, dann werde ich immer wieder drauf hinweisen, dass dazu irgendwann oder besser: immer wieder die Entscheidung dafür gehört, sein Leben an Gottes Versprechen auszurichten. Irgendwann: Ich glaub, wenn man sich wirklich immer wieder mit dem Wort Gottes auseinandersetzt, wenn man merkt, dass darin wichtige Wahrheiten für mein Leben liegen, dann muss ich irgendwann auch mal sagen: Ok – let’s do it.
Aber auch: Immer wieder: Es ist so einfach, Gott im Alltag, in all den Problemen immer weiter an den Rand seines Herzens und seiner Gedanken zu drängen. So lange, bis er nicht mehr vorkommt. Dann ist Stille – und Leere. Und bei mir dann ganz schnell auch: Angst, Unsicherheit, Verzweiflung, Verdrängung,…
Immer wieder: Immer wieder und jederzeit soll Gott im Mittelpunkt stehen. Da muss man dran arbeiten, nicht allein, sondern als Gemeinschaft, als Gemeinde, wie klein sie auch sein mag. Keiner kann das allein – wir sind drauf angewiesen, einander dabei zu helfen.
Und daraus, aus der Gemeinschaft mit anderen, mit Freunden, mit Schwestern und Brüdern – und mit Gott kann dann auch Freude erwachsen. Das kostet aber Mut, Überwindung – und vor allem auch: Zeit. Zeit, die man sich nehmen muss, um mit Gott zu reden, die man sich nehmen muss, um Unklarheiten und Verletzungen auszusprechen in der Gemeinde, Zeit, um den Dingen ihren richtigen Platz im Leben zuzuweisen.
Freude kann uns jeden Tag zuteil werden, wenn wir sie zulassen, wenn wir innehalten und den Gefühlen ein wenig Raum geben. Freude entsteht nur dann, wenn Zeit dafür da ist. Nimmt man sich keine Zeit, dann geht die zarte Pflanze der Freude unter und verwelkt und plötzlich scheint alles nur noch Arbeit und Stress. Für wen tue ich das alles? Diese Frage kommt dann unausweichlich. Es ist gut, wenn man sich dann sagen kann: Ich tue es für die Menschen, die ich liebe, und ich tue es auch für mich. Ja, auch für mich. Natürlich dürfen wir im Advent auch an uns selber denken! Wer sich selbst ganz vergisst, der kann sich auch nicht mehr freuen. Der brennt aus wie eine Kerze im Wind.
Und Paulus, der Apostel, weiß so viel über die Freude, dass er schreiben kann:
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet  euch!
Paulus schrieb seinen Brief an die Philipper aus dem Gefängnis zu Ephesus. Das ist wirklich kein Ort der Freude. Römische Gefängnisse waren schlimme Orte. Ganz fern der Stadt auf einem Berg soll in einer alten Burg das Gefängnis gewesen sein, in dem Paulus einsaß.

Paulus wurde wegen Aufruhr in das Gefängnis geworfen und konnte nie mehr in die Stadt zurückkehren, in der die Verkündigung des Evangeliums so hoffnungsvoll begonnen hatte. Nein, Paulus hatte wirklich keinen Grund zur Freude: in Ketten gelegt, in kaltem Gemäuer und bei schlechter Verpflegung fristete er sein Leben.

Und trotzdem: Er setzt sich hin und schreibt an die Gemeinde in Philippi:
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!

Große Freude erfüllt auch jetzt sein Herz. Nein, er ist nicht gescheitert, denn es geht nicht um seine Person. Ein Anderer lenkt seine Wege und Paulus weiß sich von ihm geführt und gehalten.

Das macht ihn glücklich. Gottes Wege sind oft seltsam, aber sie führen immer zum Heil. Das ist die tiefe Überzeugung des Paulus. Er hat grenzenloses Vertrauen zu seinem Herrn und Meister Jesus Christus. Wenn der ihn in dieses Gefängnis geführt hat, dann hat er eine Absicht damit. Paulus kann aus dem Gefängnis Briefe schreiben und anderen Menschen Mut machen. Auch das ist keineswegs selbstverständlich, sondern erstaunlich.

Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!, schreibt er weiter.

Im Gefängnis begegnet er eigentlich Strenge und Härte, aber niemals Güte. Trotzdem setzt er gerade gegen diese Erfahrungen die Güte, beantwortet nicht Härte mit Härte, sondern setzt der Kaltherzigkeit Güte entgegen. Selbst Gefängnismauern können ihn nicht davon abhalten freundlich und gütig zu sein.

Paulus lebt die Forderungen Jesu Christi, die dieser in der Bergpredigt verkündigt hatte: "Liebet eure Feinde, bittet für die, die euch verfolgen!" (Matthäus 5, 44)

Der Herr ist nahe!, schreibt Paulus. Er lebte in der Gewissheit, dass Jesus Christus noch zu seinen Lebzeiten wiederkommen würde. Warum sollte man sich sorgen? Bald schon wird alles anders sein! Paulus erlebt den Advent, die Vorfreude auf das Kommen des Herrn, ganz unmittelbar. Über 2000 Jahre sind seitdem vergangen, aber was ist Zeit gemessen an der Ewigkeit? Die Zusage, dass Jesus Christus wiederkommen wird, gilt auch heute noch im Advent des Jahres 2009.

Auch im Gefängnis erfährt Paulus, dass Gott ihm nahe ist, dass Gott ihn nicht verlassen hat. Eine alte Dame sagte stets: "Der Himmel ist nicht so fern!" Das war ihre Erfahrung und diese Worte vergesse ich nie. Wenn ich mich mal ganz verlassen und allein fühle, erinnere ich daran und dann wird es wieder Wirklichkeit: Ich spüre, dass Gott mich nicht verlassen hat, dass ich nicht allein bin, dass seine Hand mich hält.

Wieder klingen Worte Jesu in dem Brief des Paulus an:

Sorgt euch um nichts, fordert er die Gemeinde in Philippi auf. Ich denke an die Lilien auf dem Felde (Matthäus 6, Vers 28), die Jesus als Beispiel dafür nimmt, wie Gott seine Geschöpfe versorgt.

Aber dann wird Paulus besonders ernsthaft:
in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
In diesen Worten spürt man, da spricht kein Leichtfuß, der sich über alles hinwegsetzen kann, sondern ein Mensch, der einen tiefen Glauben hat. Er kennt das Gebet. Im Gebet darf man dem Herrn Bitten vortragen. Man darf seine Sorgen vor ihm ausbreiten, man darf um Gesundheit, um Kraft, um einen Arbeitsplatz, um eine Zukunft bitten.

Ja, Paulus fügt ein zweites Wort hinzu: Flehen!

Das ist das verzweifelte Gebet, eine Bitte um Hilfe in tiefster Not, der Verzweiflungsschrei "Herr, hilf mir doch!"

Paulus kennt beides: Er kennt das normale Gespräch mit Gott und er kennt auch die tiefe Not, die einen Menschen so sehr bedrängen kann, dass er um Hilfe schreit.

Trotzdem fügt er hinzu: mit Danksagung.
In keinem Gebet, auch nicht in dem verzweifelten Ruf um Hilfe darf der Dank an Gott fehlen.
Gott schenkt uns so viel und das Wissen darum darf nicht untergehen in Verzweiflung.

Wir verlieren unsere Lebensgrundlage, wenn wir nur noch das Negative sehen und nicht die großen Geschenke beachten, die wir jeden Tag bekommen.

Wenn wir der Ermahnung des Paulus folgen, dann geschieht etwas Wunderbares:

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Der Friede Gottes kommt als Antwort auf das Gebet. Das ist für mich eins der größten Geschenke, das Gott uns gibt.

Dieser Frieden heißt, unsere Gedanken kreisen nicht mehr nur um scheinbar unlösbare Probleme.

Dieser Frieden bedeutet, dass Streit und Hass überwunden können und Gespräche über Grenzen hinweg möglich werden.

Dieser Frieden lässt hoffen, dass Lärm und Zerstörung weichen und der Blick frei wird für neue Möglichkeiten.

Paulus hatte wirklich keinen Grund Frieden zu empfinden. Im Gefängnis war er völlig rechtlos und wusste nicht, was ihn erwarteten würde. Trotzdem spricht er der Gemeinde diesen Frieden zu, der höher ist als alle Vernunft.

Es ist eigentlich unvernünftig, in einer solchen Situation Frieden zu empfinden, aber es ist ein großes Geschenk, trotzdem auch dann noch seinen Frieden zu haben, der die Kraft gibt alles zu ertragen.

Wir haben diesen Frieden ja nicht aus eigener Kraft, sondern es ist der Friede Gottes, der unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahrt. In ihm, in Jesus Christus ist Geborgenheit für das immer unruhige Herz und für die Sinne, die viel zu oft vom Lärm und der Unruhe unserer Welt gefangen werden.

Wenn der Friede Gottes ins Herz einzieht, dann geschieht etwas Großartiges, dann kann steigt Freude auf, tiefe Freude, die von innen kommt, dann strahlen die Augen und das Herz klopft vor Freude. Das ganze Leben wird plötzlich völlig anders empfunden. Man erkennt, wie viel Grund man doch trotz aller Bedrängnisse hat sich zu freuen. Die Kleinigkeiten im Leben, Begegnungen mit lieben Menschen, Begegnungen mit Gottes Schöpfung, alles gewinnt an Bedeutung, alles wird schön und reich.

Dann wird es licht. Dann wird es Weihnachten. Diesen Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft und die daraus erwachsende Freude wünsche ich Ihnen in den kommenden Tagen.

Amen