Blues ohne Bierbauch: das neue Album von Philip Sayce „Inner Revolution“ ist mein aktuelles Lieblingsalbum. Ich bin Vielhörer, aber oft ist es so, dass ich zeitweise im Auto ein Album immer wieder höre und da ich jeden Tag mindestens eine Stunde Auto fahre, kann ich anhand der Auswahl im CD-Fach ganz gut sagen, was z.Z. mein Lieblingsalbum ist.
Philip Sayce lag die letzten Wochen ganz vorne: ein Gitarrist, der mal in der Band von Jeff Healy gespielt hat, der canadischen Blues-Institution. Nach dem Tod Healys startete er eine Solokarriere. Das aktuelle Album ist auch Jeff Healy gewidmet.
Schon vorher gab es ein Album, das aufhorchen ließ, Peace Machine. Mir ist in Erinnerung allerdings nur ein Neil Young-Cover (Cinemon Girl) geblieben, vielleicht als Referenz für einen weiteren Kanadier, aber eben eine Kracherversion. Jetzt gibt es also ein neues Album, das eigentlich kein Bluesalbum im engeren Sinne ist. Die CD wird durch eine Bonus-DVD ergänzt, auf der 4 Titel live zu erleben sind, großartig.
Die Scheibe startet hammermäßig mit einem drum-Part, dann klingt sich die Strat Sayces ein. Der Titel heißt Changes: phänomenal, irgendwo zwischen Hendrix und SRV. Sound wie die Ebengenannten, Stratocaster über Marshall, amtlich aufgerissen, geile Licks und nicht zu sachte gespielt. Solomäßig ist Sayce gnadenlos, aber er übertreibt es nicht, das Ganze ist immer noch songdienlich. Hin und wieder ist mal eine Hammond zu hören, selbst Strings sind mal zu hören, aber ansonsten ist es ein Gitarren-Album vom Feinsten, kein lästiger Tastenmann stört den erhabenen Sound der Gitarre.
Und so geht es weiter, Schlag auf Schlag. Das Songwriting hat sich enorm gesteigert im Vergleich zum Vorgängeralbum Peace Machine. Titel 4 ist radiotauglich, erinnert fast an Bon Jovi (igitt!), im Refrain kippt die Stimme immer kurz in die Kopflage wie bei den Brathühnern mit Strapsen (Rihanna, Beyonce etc). Aber der Song ist trotzdem geil! Ohne großes Solo, also wirklich fast auf diese unsäglichen 99,sowieso-Mhz-Radioscheiße zugeschnitten, fast subversiv, Blues im Formatradio!
Die anderen Songs scheinen andere Vorbilder zu zitieren, Titel 9 (Are You Ready) erinnert eher an den frühen Crossover-Sound der Red Hot Chili Peppers, andere Songs zitieren die typischen 7/9 Akkorde von Hendrix. Gesanglich eindringlich und massenkompatibel, würde ich jedenfalls sagen. Auf der DVD sieht man, wie Sayce live rüberkommt, danach bleiben keine Fragen offen, der Mann läßt es krachen. Und, was für seine Karriere vielleicht nicht unwichtig ist, er sieht auch gut aus, so etwas ist heute ja auch nicht unwichtig, Bon Jovi hat schließlich seine Karriere darauf gebaut. Wenn ich wetten würde, würde ich gegen Bonomassa wetten und für Sayce – Bonomassa spielt einen Tick besser und kontrollierter, ist vielleicht auch vielseitiger, aber keine Frau wird sich je seine Musik antun und das wird bei Sayce anders sein, ganz sicher.
Es ist Musik bzw. Blues ohne Bierbauch, das braucht diese Musik auch dringend. Der letzte Bluesstar, auf den sich alle einigen konnte, war eben Stevie Ray Vaughan, der ja auch für Bowie spielte, und der ist schon eine ganze Weile weg. Es wird spannend sein, die Karriere von Sayce zu verfolgen. Bluespuristen werden erschüttert ihren Bierbauch vergrößern, aber das ist meine Mugge! Prost.