Popmusik über den Tod? Ihre "Hochzeit" hatten sogenannte "Death Discs" in den 60er Jahren mit Liedern wie "Tell Laura I Love Her". Doch schon mit Beginn der Plattenaufnahmen um 1912 wurden erste Songs über den Tod – teils mit morbidem Humor – veröffentlicht.
Man lernt ja nun wirklich nicht aus: Dass es mit den Death Discs eine eigene Subkategorie der Popmusik gibt, war mir bis zum Erscheinen von "Music To Die For" nicht klar. Natürlich kannte ich Lieder wie "St. James Infirmary" (in mehr als hundert Versionen allein in meinem Musikarchiv) oder "Leader of the Pack" von den Shangri-Las. Doch welch Verbreitung quer durch die Musikstile der Tod seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat, war mir nicht bewußt. Und auch nicht, von welchem schwarzen Humor solche Lieder oftmals geprägt sind.
Der jetzt bei Chrome Dreams vorgelegte Sampler vereinigt 52 Lieder aus der Zeit von 1920 bis 1960 und deckt das Spektrum vom frühen Blues und Jazz über Rock'n'Roll bis hin zur Filmmusik ab. Und man wird beim Hörern nicht wirklich traurig – sondern muss sich oft das Lachen verkneifen. Etwa wenn Ethel Waters über Miss Otis singt, dass sie es nur bedauert, heute nicht mehr den Lunch zu sich nehmen zu können. Und auch Songs wie Wreck of Old 97 sind eher von der Lust am Spektakulären als von der Trauer über die Opfer geprägt. Auf die Spitze getrieben hat den schwarzen Humor wahrscheinlich Alfred Hitchcock. Der veröffentlichte ein Album mit Titelmelodien seiner Filmklassiker unter dem Namen "Music To Be Murdered By". Auf dem Cover präsentiert sich der Regisseur stilgerecht mit einer Pistole an der Schläfe und einer Axt in der Hand. Zum Schreien komisch auch Lena Horns Version des Traditionals "Frankie and Johnny".
Bekannte Namen finden sich jede Menge auf den beiden CDs: Von Louis Armstrong und Leadbelly bis hin zu Schauspieler Peter Sellers und Jaques Brel. Aber auch die unbekannten Gruppen und Sänger sind mit ihren Songs würdige Vertreter einer Todesmusik, die noch immer ihre Faszination nicht verloren hat. Ergänzt wird der Sampler durch ein Booklet mit einem Essay über die Geschichte der Death Discs von Alan Clayson. Schön, dass in-akustik jetzt das Album auch in Deutschland vertreibt.