Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, gab den Organisatoren der Greifswalder Bachwoche ein Interview. Dabei spricht sie unter anderem über die Bedeutung der Musik Bachs und ihre Vorstellungen von Engeln.
„Many happy returns“
Interview mit Margot Käßmann zur 65. Greifswalde Bachwoche „engelisch“.
Frau Käßmann, welche Beziehung haben Sie zu Greifswald?
Ich kenne Greifswald von Vorträgen her und war sehr beeindruckt von der Stadt und mitten darin der Universität. Das erinnert mich an mein Studium in einer kleinen Universitätsstadt, Marburg. Da ist auch die Prägung der Stadt durch die Universität deutlich, ganz anders zum Beispiel als ich es jetzt in Bochum erlebe, wo die Uni außerhalb liegt, am Stadtrand. Ich erinnere mich auch an die überraschende Nähe zu Polen, dass ich so einfach von hier aus gleich durch die offene Grenze nach Köslin bzw. Koszcalin fahren konnte, wo meine Familie herkommt.
Welche Bedeutung hat Bachs Musik für Sie?
Bach ist auch für mich der „fünfte Evangelist“, wie er von vielen genannt wird. Mir hat jemand, der in der DDR aufgewachsen ist, gesagt, dass er, der vorher gar nicht gläubig war, erst durch Bach zum Christen geworden ist, durch das Mit-Singen im Chor. Auch der Luthertext der Bibel ist uns durch Bach vertraut. Kardinal Lehmann hat mich einmal gefragt – es ging um die Diskussion um die „Einheitsübersetzung“ – warum wir denn so an der Lutherübersetzung hängen, dass wir sie nicht aufgeben können. Ich bin überzeugt, das hat auch mit Bach zu tun. Es ist beeindruckend, dass er für alle Sonntage eine Kantate komponiert hat, als Auslegung des jeweiligen Bibeltextes, und diese Musik ist geprägt durch den Luthertext.
In Ihrem neuen Buch „Sehnsucht nach Leben“ haben Sie den Engeln ein eigenes Kapitel gewidmet. Welche Engel sind Ihnen die liebsten, die sanften oder die kämpferischen?
Für mich sind die Engel ein Ausdruck der Begleitung Gottes für uns Menschen. In der Bibel wimmelt es ja nur so von Engeln und dort begegnen sie auf ganz verschiedene Weise. Das Gespür für diese Begleitung Gottes lässt mich dann auch erleben, dass mir Menschen zu Engeln werden, tröstend oder schützend, durch die Gott Kraft und Mut gibt. Um solchen Schutz und Bewahrung kann ich Gott dann auch bitten, für mich wie für andere. Am besten mit den Worten aus Luthers Morgensegen: „Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“
Mit der 65. Greifswalder Bachwoche feiern wir ein Jubiläum, das für Menschen üblicherweise den Eintritt in das „Rentenalter“ bedeutet. Wir hoffen allerdings, dass das für die Bachwoche noch lange nicht erreicht ist. Was wünschen Sie der Bachwoche zum „65.“?
Ich beglückwünsche die Bachwoche und alle, die ihr verbunden sind, für die vielen Jahre, die sie auch durch große Schwierigkeiten hindurch bestanden hat, und was durch sie alles bewirkt wurde. Ich freue mich sehr darauf, das erste Mal dabei sein zu können, auch wenn ich leider nur für einen sehr kurzen Aufenthalt Zeit habe. Und für die Zukunft wünsche ich etwas amerikanisch, durch meinen Aufenthalt jüngst geprägt: Many happy returns!
Margot Käßmann predigt im Festgottesdienst der Bachwoche, am 26.6., 10 Uhr, im Greifswalder Dom. Rund 10.000 Besucher werden wieder zu den 44 Konzerten, Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen der 65. Greifswalder Bachwoche „engelisch“ (20.6. – 26.6.2011) erwartet.
Das Gespräch ist nachzulesen auf den Sonderseiten zum „65.“ im Jubiläums-Programmheft der Greifswalder Bachwoche. Erhältlich für nur 1 € im Vorverkauf und an den Abendkassen! Das Jubliläumsheft enthält außer dem kompletten Programm der diesjährigen Bachwoche einen umfangreichen illustrierten Sonderteil zur Geschichte dieses Festivals geistlicher Musik und Porträts alter und neuer Weggefährten.Autor: Reinhard Lampe