Noch mit 75 Jahren klang seine Gitarre jünger als die vieler nach ihm geborener Musiker. Mit „Bad Boy“ hatten Magic Slim & The Teardrops 2012 ein Album vorgelegt, dass seinen unverwechselbaren Blues aus der South Side von Chicago aufs Feinste zelebrierte. Seine letzte Europa-Tournee musste er wegen einer Erkrankung abbrechen. Am 20. Februar 2013 starb Morris Holt alias Magic Slim in Philadelphia
Die Gitarrenlinien schneiden heftig und kraftvoll in die Gehörgänge u
nd durchdringt spielend jeden Kneipenlärm. Seine Stimme erreicht zuweilen gar die Rauhheit und Heftigkeit von Sängern wie Muddy Waters. Und die Rhythmusgruppe legt einen Groove aus, der klar macht: hier ist man richtig, um zum Wochenende gehörig abzutanzen. Das ist BLUES in Großbuchstaben, Blues wie er seit Jahrzehnten einfach nicht altert. Blues, der so viel direkter und lebendiger ist als jegliche neue Rockmode. Magic Slim & The Teardrops haben seit den 60er Jahren ihren Stil beibehalten, ohne jemals altertümlich zu klingen. So wie auf „Bad Boy“ spielte man in der South Side von Chicago den Blues seit den 60er Jahren.
Geboren wurde Morris Holt am 7. August 1937 in Torrence, Mississippi. Seine Eltern hatten als Sharecropper eine Farm gepachtet. Und schon früh musste der Sohn mit raus auf die Baumwollfelder. Sobald wie möglich versuchte er, diesem Leben zu entkommen. Irgendwann suchte er sich Gelegenheitsjobs in der Umgebung, um selbst etwas Geld zu verdienen. Als er 13 war kam es zu einem Unfall, der sein Leben als Musiker entscheidend beeinflusste.
Schon früh hatte Holt Liebe zur Musik gezeigt. Er begann mit dem Klavierspiel und sang im Kirchenchor. Doch dann geriet er mit der Hand in eine [[Cotton Gin]] und verlor einen kleinen Finger. Klavier konnte er jetzt nicht mehr spielen. So wandte er sich der Gitarre zu. Sein erstes „Instrument“ baute er sich, indem er Teile von Mutters Besen verwendete. Das gab natürlich zunächst gewaltigen Ärger, doch fanden sich seine Eltern damit ab. Und 1955 fühlte er sich gut genug, um seinen ersten Trip ins gelobte Land nach Chicago anzutreten.
Er wollte Gitarre bei seinem Jugendfreund Magic Sam spielen. Der hatte sich auf der South Side von Chicago schon einen Namen erspielt und gab Holt nicht nur Tipps für sein Gitarrenspiel sondern verpasste ihm auch seinen Bluesnamen Magic Slim (der Holt auch noch beibehielt, als er schon längst nicht mehr „slim“ aussah). Und vor allem meinte Sam: Du musst Deinen eigenen Ton finden! Du musst so klingen, wie du bist – nicht wie eine Kopie von anderen Musikern. Und irgendwann fand Magic Slim seine ureigne Art, die Gitarre zu spielen: Allein mit dem Vibrato der Finger auf den Saiten und ohne Bottleneck entwickelte er einen Klang, der dem einer Slidegitarre nahekam. Doch konnte er diesen Sound durch das Bending der Saiten so variieren, wie es mit einem Slide eigentlich unmöglich ist. Viele haben seither versucht, diese Spielweise zu kopieren. Gelungen ist das eigentlich niemandem.
Zunächst allerdings musste er einsehen, dass er noch nicht gut genug war, um in der harten Konkurrenz Chicagos als Gitarrist zu bestehen. Zwar hatte er in der Band von [[Robert Perkins]] einen Job als Gitarrist gefunden, doch der schien nicht wirklich eine große Zukunft Also ging er wieder zurück nach Mississippi. 1965 folgte der zweite Anlauf, Chicago zu erobern. Gemeinsam mit seinen Brüdern Nick und Lee „Baby“ Holt als seiner Rhythmusgruppe zog er nach Norden. Als Magic Slim & The Teardrops erspielte er sich in den Clubs bald einen guten Namen und konnte auch einige Singles veröffentlichen.
Der eigentliche – landesweite – Durchbruch kam für die Band allerdings erst 1979, als Slim für die bei Alligator erscheinende Reihe „Living Chicago Blues“ einige Titel aufnahm. Schnell folgten bei diversen Labels weitere Alben. Auch als der langjährige zweite Gitarrist der Band, John Primer, seine Solokarriere begann, änderte sich der Sound der Teardrops nicht wirklich. Einige der besten Alben erschienen nach dem Wechsel von Magic Slim zu Blind Pig Records im Jahre 1996. „Bad Boy“ bildet hier als Coveralbum den Abschluss einer beeindruckenden Laufbahn, die immer auch mit dem unermüdlichen Touren Slims zu tun hatte. Nicht umsonst wurden er und seine Teardrops sechs Mal mit dem Blues Music Award als beste Band ausgezeichnet.