Manche Bands erfinden sich neu, andere besinnen sich danach aber an ihre ursprünglichen Stärken zurück. So auch Keimzeit, die personell über die Jahre fast komplett umbesetzte Band um die Brüder Leisegang. Mit ihrem im Frühjahr 2015 veröffentlichten Album „Auf einem Esel ins All“ kehren sie zurück zu Sound und Lyrik ihrer besten Jahre zwischen „Kapitel Elf“ und „Primeln & Elefanten“.
 

Endlose Konzerte und Lieder mit Texten, die nur scheinbar kindlich naiv daherkamen aber eigentlich ein hochlyrisches Spiegelbild der Welt waren wurde Keimzeit schon vor der Wende zu einer der beliebtesten Livebands Deutschlands. Dank des Musikfernsehens schaffte die Band auch den Sprung über die verschwundene Grenze nach Westen. Doch irgendwann wollte man in die Zukunft aufbrechen. Plötzlich hatten Produzenten das Sagen und verordneten statt handgespielter Instrumente elektromagnetische Felder. Und Norbert Leisegangs Texte verloren die sympathische Naivität. Keimzeit waren für mich Geschichte. Besonders nachdem ich sie live erlebte, wie sie ihre alten Songs in einen Indierocksound pressten. Die Magie war fort und kam nicht wieder. Bis jetzt, als ich erstmals die neuen Lieder hörte: Schluss mit der Elektronik – dafür wieder verspielte Gitarren (die manchmal gar gehörig losrocken). Es ist im besten Sinne altmodischer Keimzeitsound: Rock mit ein wenig Blues, nicht ganz so verspielt wie früher, aber sofort identifizierbar. Und dann die Texte: Großmutter, die Zigaretten schnorrt, eine Welt, die insgesamt mehr oder weniger aus Bekloppten besteht, Sehnsucht nach dem Ausbruch in die Ferne und ein Deutschland zwischen wohlerzogenem Köter und wilder Bestie: Das sind Keimzeitlieder, die wieder sofort ins Ohr gehen und die man gerne bei Konzerten mitsingen möchte.

Insgesamt ein höchst erfreuliches Lebenszeichen von einer Band, die endlich wieder bei sich angekommen scheint – und gleichzeitig eines der schönsten deutschsprachigen Alben des Jahres für mich.