Das Alter muss nicht immer einhergehen mit Milde oder Weisheit. Manchmal muss man einfach auch mal auf den Punkt kommen: Du junges Ding bist einfach nur „a pain in the ass“. Und glaub bloß nicht, dass ich mit 64 Jahren zum alten Eisen gehöre! Wenn Du Dir gar einbildest, ich würde Deinetwegen meine Frau verlassen – vergiss es! Sie ist die Liebe meines Lebens. Du bist einfach nur ein One Night Stand. – Kein nettes Liedchen, mit dem das Album „Old-fashioned Love“ da beginnt.
Oder: Country-Bluesrock vom Ende der Welt
Aber in seiner Rotzigkeit und Direktheit bleibt es schnell an einem kleben, dieses „I Can Rock n Roll“. Klassischer Bluesrock mit ner feinen Slide, ab und zu auch mit Parts auf der Resonator gespielt, und einem eher grantelnden als singenden Geschichtenerzähler. Die Band heißt Blues Rock & Country Inc. Und hier geht die Geschichte los.
Der Ort: Die Skelettküste Namibias. Auf der einen Seite eine der gefährlichsten Gegenden des Atlantik mit zahllosen Schiffswracks und riesigen Robbenkolonien an den Stränden. und auf der anderen Seite die älteste Wüste der Welt, die Namib. Eine Landschaft, die einen schon auf Fotografien überwältigen kann. Wer hier lebt, lebt in ziemlicher Einsamkeit. Selbst die Post liefert nicht bis an die Haustür, sondern nur in ein Postfach in der Provinzhauptstadt Swakopmund. Hier wohnt Jos Slabbert mit seiner Frau, der Familie, etlichen Tieren und seiner Sammlung von verschiedenen Gitarren. Er ist Fan von Blues, Bluesrock und Country. Doch in weitem Umkreis gibt es niemandem, der seine Vorlieben teilt. Und so gründete er Blues Rock & Country Inc. als One-Man-Band oder besser: als Studio-Projekt. Im Herbst 2012 stellte er „Old Fashioned Love“ als erstes Album auf seiner Homepage online.
Man merkt dem Album die Vorlieben für klassische Blues, Bluesrock und auch Country-Klänge an: Auch wenn seine Familie seit 1688 in der Gegend der Skelettküste lebt, ist Slabbert von afrikanischer Musik unbeeinflusst. Eher hört man hier den Bluesrock aus Texas heraus, die heftigeren Country-Rocker in irgendwelchen Truckerkneipen zwischen Texas und Tennessee. Und manchmal auch noch die Melancholie der irischen oder französischen Ahnen.
Er bezeichnet sich eher als afrikanischen Cajun, als jemanden, der hier am Ende der Welt einen einfachen Lebensstil pflegt, der so gar nicht zur Hektik eines Europäiers im 21. Jahrhunderts passt: Wenn es grad vom Wetter her passt, dann macht man für paar Tage eben eine Reise in die Wüste. Und wenn man dort erleben kann, wie nach einem Regen plötzlich überall Leben hervorsprießt, dann ist das wirklich ein Ereignis, wofür man losziehen sollte.
Das Fehlen musikalischer Mitstreiter ist freilich etwas, was „Old-fashioned Love“ immer wieder schmerzlich anzuhören ist: Die Rhythmusmaschine, die für die Schlagzeugbegleitung sorgt, klingt oftmals wie von einer Bontempi-Heimorgel und zerrt die eigentlich guten Songs in eine belanglose Schlager-Humpta-Seligkeit, die fast wehtut. Eine eigentlich wundervolle Ballade wie „Josephine“ mit ihrem schönen Akkordeon geht dadurch ziemlich kaputt. Anderswo funktioniert es besser – etwa in dem melancholischen Rocker „The Days We Believed In Heaven“, wo Slabbert über den Verlust des einfachen Kinderglaubens klagt, über die Zeiten, wo man einfach drauf vertraute, dass alles irgendwie besser werden würde durch Glauben und Gebet. Hier würde sich der Kritiker wünschen, dass der Künstler doch noch Musiker finden könnte, um seinen Blues am äußersten Ende Afrikas mit einer kompletten Band zu spielen. Denn es geht halt nichts über eine auf den Punkt spielende Band.
Inzwischen hat Slabbert noch eine weitere One-Man-Band gegründet, mit der er Rockmusik irgendwo zwischen Hardrock, Metal und Gothic spielt. Manchmal, so meint er, wolle er einfach mit seiner Les Paul richtig Krach machen und losrocken. Wobei seine Texte aber da auch mal ins Politische gehen und sich glücklicherweise nicht an den Metalklischees abarbeiten. Eher nutzt er textliche Anregungen von Dichtern wie Yeats oder Milton, als über endlose Kriege der „Kings of Metal“ zu singen. Auch „Eorongo Conspiracy“ hat mit „Phoenix Warrior“ inzwischen ein Album online – und er legt sofort mit dem nächsten Projekt nach. Und das kann für den Bluesfan dann noch interessanter werden. Denn „Joburg Blues“ (auch wenn es unter Eorongo Conspiracy firmiert) ist dann eher wieder ein Album für Bluesrock-Fans, bei dem er dann auch Lieder in Afrikaans schreibt. Dass so die gerade in Südafrika als Spracher der Kolinialisten und des untergegangenen Apartheidstaates verhasste Sprache für Blues Verwendung findet, ist schon ziemlich bemerkenswert.