Das 1966 in Chicago produzierte Werk wird auch als "The Missing Album" von John Lee Hooker bezeichnet. Denn Chess veröffentlichte die Scheibe damals nicht. Erst 1991 wurde sie aus den Archiven geholt. Eigentlich zu Unrecht. Denn die Scheibe bietet (trotz des völlig absurden Titels) feinsten Blues von Hooker mit einer recht gut zu ihm passenden Band.
Aus Marketinggründen drängten die Plattenfirmen die bekannten Blueser damals, musikalische Ausflüge in ihre Jugend beziehungsweise in die Frühzeit des Blues zu unternehmen. Muddy Waters und Howlin Wolf veröffentlichten als "Real Folk Blues" Alben für weiße Collegekids, die gerne den älteren Sängern mit akustischen Gitarren und verlotterten Klamotten zuhören wollten, weil sie das für authentische Folklore hielten. Dass sowohl Waters als auch Wolf längst weit darüber hinaus waren, dass sie gerade durch die Elektrifizierung des Blues revolutionär waren, das war den Marketing-Strategen egal.
Bei John Lee Hooker musste das Konzept eh scheitern. Denn Hooker hat zeit seines Lebens immer sein eigenes Ding gemacht und Platten für alle die aufgenommen, die ihm dafür Geld zu zahlen bereit waren. Die Zahl seiner Pseudonyme und der verschiedenen Plattenlabels seiner Karriere ist legendär. Dabei gibt es bei diesen Aufnahmen doch immer eine Konstante: John Lee Hooker spielt immer seine Form des Gitarren-Boogie: Hypnotische Rhythmen, wenige Akkorde, zusammengehalten allein von Hooker selbst, der das geheiligte Zwölf-Takte-Schema gern mit den Füßen zerstampft. Und metrische Formeln sind seinen Texten niemals angemessen.
1966 ging Hookers Weg mal wieder zurück zu Chess in Chicago, wo er schon 1951/52 unter Vertrag stand. Zwei Alben nahm er auf, "The Real Folk Blues" erschien im Oktober 1966. Das zweite war fertig produziert, gemastert und betitelt – und blieb in den Archiven liegen.
Es beginnt mit einem Monolog: This Land Is Nobody's Land. Ob Hooker hier über die Vereinigten Staaten und ihre Rassenunruhen oder doch über Vietnam singt bleibt offen. Doch klar ist: Hooker äußert sich politisch und kritisch, wie er es paar Jahre später etwa mit "Motor City Is Burning" erneut und pointierter erneut tat. Auch die anderen, mit zweiter Gitarre, Piano und Schlagzeug begleiteten Songs sind Hooker-Blues statt Folk-Blues. Er rechnet mit der dämlichen Journalistenfrage ab, wie es wohl wäre, wenn man den Blues hat ("Knobody Knows"), er macht "Mustang Sally" seine Referenz, bevor der Titel von Mack Rice in der Fassung von Wilson Pickett ein Hit wurde, covert auch "I Can't Quit You Baby" von Willie Dixon (ein Hit für Otis Rush 1956) und zitiert etwa in Catfish oder Lead Me seine eigenen Themen aus den vergangen Jahren. Manchmal erlaubt er der Band dabei, nach Chicago-Blues zu klingen. Aber meist muss sie sich dem Diktat von Hooker unterordnen und ihren Beitrag zu der musikalischen Welt leisten, die allein Hooker eine echte Heimat war.