Keiner spielte den Blues so wie John Lee Hooker: erdig, eigensinnig und von einem unnachahmlichen Boggierhythmus getrieben. Und abgesehen von B.B. King dürfte kein Bluesmusiker jemals solch langanhaltenden und auch finanziell abrechenbaren Erfolg gehabt haben.

John Lee Hooker kam am 22. August 1917 unweit der Kleinstadt Clarksdale in Mississippi zur Welt. Vater William Hooker und Mutter Minnie Ramsey hatten elf Kinder großzuziehen. Nach Williams Tod 1923 heiratete Minnie den aus Shreveport in Louisiana stammenden William Moore, einen Baumwollpflücker, der sich in seiner freien Zeit als Blues-Sänger und Gitarrist betätigte. Er war es auch, der John Lee Hooker ermutigte, sich neben dem sonntäglichen Chorsingen in der Kirche auch mit Musik anderer Art zu beschäftigen.

Mit dem Rüstzeug seines Stiefvaters ging John Lee Hooker, gerade einmal dem zarten Knabenalter entwachsen, auf Wanderschaft quer durch die amerikanischen Südstaaten. Mit knapp vierzehn fühlte er sich reif genug, sein Glück als Musiker in der Blues-Metropole Memphis zu versuchen. Weil er aber noch so jung war und zu seinem Leidwesen auch so aussah, kam er in die Clubs und Cabarets in der Beale Street oft gar nicht erst hinein. Wenn man ihn aber doch einmal spielen ließ, wurde er von den dort etablierten Musikern als unerwünschter Eindringling angesehen. Also ging die Reise weiter in Richtung Norden.
1933 traf er in Cincinnati im amerikanischen Bundesstaat Ohio ein. Hier schlug er sich zunächst einige Jahre lang mit Gelegenheitsarbeiten durch. Seine musikalischen Aktivitäten beschränkten sich in dieser Zeit auf die gesangliche Mitwirkung in ein paar kurzlebigen Gospelquartetten. Kurz nach seiner Heirat zog Hooker im Jahr 1943 nach Detroit, dem Zentrum der amerikanischen Automobilindustrie. Zentrum der schwarzen Bevölkerung Detroits war das Black Bottom-Ghetto, mit der Hastings Street als „Hauptschlagader“. In dem ärmlichen Viertel gab es neben einer ganzen Reihe von Clubs auch einen Schallplattenladen. Dessen Inhaber, ein gewisser Joe von Battle, unterhielt auch ein provisorisches Aufnahmestudio. Von Battle gehörte das Label JVB. Daneben stand er noch mit anderen wichtigen Plattenfirmen in Chicago in Geschäftsverbindung.
Seinen Durchbruch erzielte Hooker mit dem im Oktober 1948 auf Sensation Records aufgenommenen Song „Boogie Chillun“. Mit seinem ansteckend wirkenden Beat und dem neuartigen Mix aus Sprache und Gesang war dieser Titel bei den schwarzen Plattenkäufern ein voller Treffer. Besman vergab die Rechte dieses Songs an die Gebrüder Bihari in Los Angeles, deren Firma Modern Label über ein landesweites Vertriebsnetz verfügte. Hookers Plattenhit erklomm erstmals die Rhythm & Blues Charts – wie später die Titel „Hobo Blues“ und „Crawlin‘ King Snake“ (1949) und „I’m In The Mood“ (1951).
Diesen ersten Popularitätsschub beim Publikum verdankt Hooker vor allem seiner elektrisch verstärkten Gitarre. Auf ihr förderte er völlig neuartige Klänge zutage, mit denen er einen zukunftsweisenden Sound kreierte.
In den folgenden Jahren festigte Hooker seine Popularität durch Tourneen und eine Vielzahl von Plattenaufnahmen. Um 1952/53 hatte er jedoch einen Karriereknick zu verzeichnen, bedingt vor allem durch aufstrebende Künstler wie B.B. King, die über ein weitaus fundierteres technisches Können verfügten. Und außerdem ist sein archaischer Stil in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht mehr so angesagt. Hooker klingt einfach viel zu sehr nach dem Mississippi – und mehr nach Afrika als jeder andere Musiker der Zeit.
Mitte der 50er Jahre feierte Hooker ein Comeback; dieses verdankte er Vivian Carter und Jimmy Bracken, den Inhabern von Vee Jay, sowie deren Zugnummer Jimmy Reed. Vee Jay konkurrierte in Chicago mit dem mächtigen Chess Label. Carter und Bracken nahmen Hooker unter Vertrag und stellten ihm mit Reed an der Mundharmonika, Eddie Taylor an der Gitarre, George Washington am Bass und Tom Whitehead an den Drums eine fähige Begleitband an die Seite. „Unfriendly Woman“, „Wheel And Deal“, „Mambo Chillun“ sowie „Time Is Marchin'“ sprechen als Resultate der Aufnahmesession für Vee Jay am 19. Oktober 1955 für sich. Geschickt passte sich Hooker der Band-Disziplin an, so dass man das gemeinsame Experiment im Frühjahr 1956 wiederholte. Auch diese Session war ein großer Erfolg: Der hier entstandene Titel „Dimples“ erreichte sogar die Top 40.
Hooker hatte sich damit einmal mehr der schwarzen Öffentlichkeit als Bluesman präsentiert. Jetzt konnte er sich neue Ziele stecken: als erstes die Eroberung von Amerikas jugendlichem weißen Publikum.
Ende der 50er Jahre rückte der Blues im Rahmen des Folk-Revival in den Blickpunkt der College-Studenten und Intellektuellen. Zunächst galt das Interesse dem Country-Blues mit akustischen Instrumenten und „folkloristischem“ Touch, an die Hooker und Kollegen sich kaum noch erinnern konnten. Aber was die Zuhörer in den Folk Clubs und College-Auditorien hören wollten, das sollten sie bekommen:
Nicht wenige Bluesmusiker waren bereit, alles bislang Erarbeitete fallen zu lassen und sich noch einmal zurück zu ihrem musikalischen Ausgangspunkt zu begeben. Hooker bildete da keine Ausnahme. Er arbeitete wieder mit akustischer Gitarre und ohne Begleitband auf der Bühne, nahm Platten auf, deren Namen allein schon seinem neuen Publikum entgegenkamen – wie etwa The Folk Blues Of John Lee Hooker (1959) oder auch The Folklore Of John Lee Hooker (1961).
Um sich und anderen zu beweisen, dass er auch im Rhythm & Blues-Geschäft noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatte, landete Hooker 1961 mit „Boom Boom“ einen Volltreffer in den R&B-Charts. Auf dem Höhepunkt des britischen Rhythm & Blues-Booms schaffte er mit „Dimples“ drei Jahre später sogar den Sprung in die Pop-Hitparade.
Als 1962 die Frankfurter Konzertveranstalter Lippmann und Rau ihr erstes American Folk Blues Festival auf die Beine stellten, das in mehreren europäischen Ländern Station machen sollte, war Hooker war einer der Stars und kehrte von nun an in regelmäßigen Abständen nach Europa zurück.
Zwei Jahre später wandte sich Hooker endgültig von Vee Jay Label ab und sagte somit auch den schwarzen Single-Käufern (zu der Zeit nur noch eine zu vernachlässigende Klientel im Blues-Geschäft) ein für allemal Lebewohl. Er wollte sich lieber als Album-Künstler profilieren. Auf dem Bluesway Label von ABC legte er 1968 mit bewährten Mitstreitern aus den guten alten Tagen bei Vee Jay – etwa Gitarrist Eddie Taylor – die LP Urban Blues vor. Im Jahr darauf folgte Simply The Truth mit New Yorker Sessionmusikern. Das Songmaterial dieser Alben machte neben dem Vietnamkrieg auch vor Miniröcken nicht halt. Beide Platten wurden mit Preisen ausgezeichnet.
Ende der 60er Jahre ging Bluesman Hooker nach Kalifornien. Schon 1967 hatte er der umstrittenen Detroiter Rockband „MC 5“ mit dem Song „The Motor City Is Burning“ (von der LP Urban Blues) einen Hit beschert. Dies brachte Hooker auf die Idee, selbst sein Glück im Rockgeschäft zu versuchen. Van Morrison oder Bands wie Canned Heat waren ganz wild darauf, mit ihm aufzutreten, war er doch für die meisten ein großes Vorbild.
Still wurde es um den schwarzen Musiker Ende der 70er sowie in den 80er Jahren. Zwar ging er noch auf Gastspielreisen, trat bei Blues-Festivals auf und arbeitete auch an einigen Leinwandproduktionen wie „Blues Brothers“ mit, doch dann verlor ihn selbst sein treues Schallplattenpublikum nach und nach gänzlich aus den Augen.
Mit The Healer gelang ihm 1989 das erfolgreichste Comeback-Album in der gesamten Geschichte des Blues. Darauf spielte er Seite an Seite mit musikalischen Berühmtheiten wie Carlos Santana, Van Morrison und Bonnie Raitt. Bis zu seinem Tod folgten in schöner Regelmäßigkeit neue Alben mit den alten Hits in neuem Gewand oder Interpretationen von anderen Klassikern, unter anderem auch von Jimi Hendrix. Es sind elegante Produktionen – Hooker grummelt in seinem Stil die Hits und die Begleiter sind froh, mit ihm spielen zu dürfen. Am 21. Juni 2001 starb Hooker in seiner kalifornischen Wahlheimat.