Wenn mit dem ersten Powerchord von „This Train“ dieses Album loslegt, ist eines klar: Joe Bonamassa tritt auch als 38jähriger nicht auf die Bremse. Dieses Album rockt los, als wäre es von einer jungen Band, die sämtliche Energie in ihr Debüt gepackt haben. Und gleichzeitig wird beim aufmerksamen Hören klar, dass Bonamassa hier seine Blueswurzeln deutlicher im Blick behalten hat, als auf anderen Alben. Bei „This Train“ setzt ein klassisches Bluespiano die nötigen Akzente und die Backgroundsängerinnen lassen den Geist des Blues niemals in Vergessenheit geraten.

Auch „Mountain Climbing“ ist ein heftiger Rocker. Hier gibt es statt Slide-Gitarre deftige Riffs und erst wenn die famosen Sängerinnen wieder einsteigen, ist auch der Nörgler in mir halbwegs befriedigt – das ist ne Rocknummer ganz am Puls der Zeit und gleichzeitig eine Verbeugung vor den Erfindern des Heavy Metal aus dem Geiste des Bluesrock. Dennoch schön, dass dann bei „Drive“ ein wenig der Fuß vom Gas genommen wird. Hier lässt die dichte Produktion endlich einmal Bonamassas Gitarre etwas Luft, um atmosphärische Stimmungen zu verbreiten. Der passende Song für nächtliche Fahrten über einsame Highways – oder für entsprechende Träumereien im Kopfkino. „The Valley Runs Low“ ist noch besser, erinnert manchmal vom Songwriting her sogar an Springsteen.

Und mit „Livin Easy“, seinem Kneipenklavier, der dreckigen Bluesgitarre und ein paar besoffenen Saxophontönen ist dann der das eigentliche Highlight für den Bluesfan. Das ist mal wirklich ein fantastischer Bluessong made by Bonamassa! Und dann endet das Album auch noch mit einem Slowblues mit fettem Bläsersatz: „What I’ve Known For A Very Long Time“ verzichtet dann auf den Rock komplett. Und setzt einen Schlusspunkt, der selbst Bonamassa-Hasser überzeugen könnte.

Die Hardrocker werden andere Nummern mehr mögen. Es gibt genügend Material für sie hier zu entdecken. Aber für mich ist wichtiger, dass „Blues of Desperation“ endlich mal wieder ein Studioalbum ist, bei dem Bonamassa seine Liebe zum Blues deutlicher und prägnanter auslebt als vielen anderen Scheiben. So kann ich verstehen, wie manche Kritiker das für eines der stärksten Alben seiner Karriere halten. Ich wüsste spontan auch kein besseres zu nennen. (Provogu/Mascot)