Leszek MożdżerIm Rahmen des Polenmarkts spielte der polnische Jazzpianist Leszek Mozdzer am 27. November 2011 in Greifswald. Billy the Kid nutzte dieses Konzert zu Überlegungen, was heute eigentlich Jazz ist oder eben auch nicht.

Bevor ich weiterschreibe, sollte ich erwähnen, dass ich Jazzfan bin, die meisten CDs in meinem Schrank stammen von Miles Davis, gefolgt von dem modernen Klassikkomponisten John Cage. Erst dann kommen die Rolling Stones.

Ich hatte mich vorher nicht informiert, was genau Leszek Mozdzer für Musik spielt, ich erwartete dunkel etwas in der Art von Thelonius Monk, vielleicht auch etwas in der Richtung vom EST-Trio. Leider war es nichts dergleichen.

Der Künstler, langhaarig und gut gefönt, begann mit einigen ruhigen Klavierstücken, komponiert vom polnischen Jasspianisten Komeda. Unglaublich virtuos! Aber eben getragen Moll-lastig, wenig groovig. Als ich leicht gedanklich wegsackte, fiel mir ein, dass der Pianist der Stones, Ian Stewart, mal die Band verließ, als Keith bei „Wild Horses“ mit Mollakkorden anfing. Leider konnte ich nicht gehen. Die Stücke perlten weiter, oft verfremdet durch Gegenstände wie Wassergläser, die auf die Saiten des Flügels gelegt den Klang verfremdeten. So etwas hatte John Cage, der Schönberg-Schüler, schon vor 60 Jahren gemacht. Ob das zwischenzeitliche ständige Rumschrauben am Pianostuhl auch zum künstlerischen Konzept gehörte, erschloß sich mir nicht.

Was ist eigentlich Jazz? Nur Improvisation wohl nicht, auch Bach improvisierte 3stimmige Fugen über vorgelegte Themen, Liszt und Chopin improvisierten, noch heute wird jeder Organist in Improvisation unterrichtet. Nach engen Auslegungen wie der von Wynton Marsalis ( der z.B. die Fernsehdokumentation „Jazz“ beriet), hätte Leszek Mozdzer kein Chance, als Jazzer durchzugehen. Dazu gehört eben Swing oder musikalisch gesehen der triolische Rhythmus, der Groove. Es ist schwer, eine Musikrichtung genau zu definieren und zu sagen, was nun dazugehört und was nicht, selbst so eine simple Form wie der Blues ist eben nicht nur 12-taktig und nur I-IV-V Schema. Aber wie ein weiser Richter in London mal sagte: „Ich kann Pornographie nicht definieren, aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe“. Well done!

Nun, das gestern war kein Jazz, sondern improvisierte europäische Kunstmusik, inspiriert von Pianisten wie Chopin (von dem Leszek Mozdzer Stücke auf einem Album veröffentlichte). Und auch stilistisch war er eher am Wohlklang interessiert, nicht umsonst umfasst seine Liste der Kooperationen z.B. Pat Metheny (der auch viel Wert auf seine Frisur legt), David Gilmore und den Roxy Music-Gitarristen Manzanera (nicht umsonst steht Roxy Music bzw. Brian Eno für die Erfindung der Ambient Musik, also der Pest der Fahrstuhl- und Kaufhausmusik). Groove und „schräge“ Akkorde und Brüche waren nicht sein Ding. Zum Schluß gabs Bach und „Ich steh an Deiner Krippen hier“.

Das Schöne am Konzert? Es war kurz, nur ca. eine Stunde. Ein Wort von Joe Zawinul, dem Organisten von Miles Davis und der erfolgreichsten Jazz-Band aller Zeiten, Weather Report, trifft den Konzerteindruck am Besten. Er wurde mal zu seiner Zusammenarbeit mit Friedrich Gulda, dem bekannten Klassikpianisten befragt. Seine Antwort: „Toller Pianist, aber er hätte noch 500 Jahre leben können, den Groove hätte er nicht gelernt“.