Schon auf seinem letzten Studioalbum hatte der Songwriter Jay Ottaway dem „Lindenbaum“ mit „The Old Messiah“ eine ganz eigene Referenz erwiesen. Jetzt veröffentlicht der Bostoner Musiker auf einem Doppelalbum seine Version von Wilhelm Müllers „Winterreise“.

Nein, Franz Schuberts melancholische Reise durch Liebesleid und Todessehnsucht, wird hier nicht wiederholt. Die tiefe Schwermut, die der romantische Komponist kurz vor seinem Tod in Töne gefasst hat, ist bei Ottaway höchstens als Erinnerung im Hintergrund zu erahnen. Und auch die Verse des Dichters Wilhelm Müller waren für den Songwriter oft nur Anregungen für ganz eigene Texte. Und doch ist auch diese Winterreise von einer faszinierenden Schönheit. Allerdings in einer ganz anderen musikalischen Welt: Ottaway schöpft seine Melodien wie immer aus dem reichen Fundus von Folkrock, County und etwas Blues. Und heraus kommt eine Musik, die man wohl am besten als Americana bezeichnet.

Die Erfahrungen Müllers über vergebliche Liebesmüh, die vergebliche Sehnsucht nach Orten der Ruhe und Besinnung, der Traum vom eigenen Tod, all das findet sich natürlich auch bei Ottaway. Doch letztlich ist hier die Musik der Gegenpart, der die Lieder vom Abgleiten in Hoffnungslosigkeit und Weltschmerz abhalten. Es ruht in den Melodien eine Kraft, die selbst in traurigster Stimmung kein Aufgeben als Möglichkeit lässt.