Einige Jahre hat Jason Ricci kein Studioalbum mehr unter eigenem Namen veröffentlicht. Zu hören war er dafür beispielsweise auf Johnny Winters letztem Album „Step Back“. Mit seiner Band The Bad Kind veröffentlicht er jetzt „Appoved By Snakes“, ein Album das in musikalischer und textlicher Weise die Grenzen des Blues meilenweit überschreitet.
Manche Alben treffen einen mit der Wucht eines Dampfhammers: Hier geht es nicht um Euren gewöhnlichen Blues, machen sie von der ersten Minute an deutlich. Hier geht es nicht darum, die vorgefassten Meinungen der Bluesgemeinde zu bedienen. Hier geht es statt dessen um das Leben an sich. Und zwar genau das Leben, vor dem wir uns zu gerne ängstlich verstecken, dass wir nicht sehen möchten: Drogen, Sex, Gewalt, Abhängigkeiten. Hier geht es um die düstere und dreckige Seite des Lebens.
Schon mit dem Opener „My True Love Is A Dope Whore“ zieht uns Jason Ricci mitten hinein in Winkel von New Orleans, die vor den Touristen tunlichst versteckt werden: Drogen und Prostitution und Liebe, die so gar nichts mit blumiger Romantik zu tun hat, sondern die eine Gewalt ist, die einen in einen scheinbar aussichtslosen Strudel hineinzieht, der einen erst am Grund der Gesellschaft wieder ausspuckt. Nutten, Dealer und Zuhälter trifft man dort. Gewalt und Aussichtslosigkeit treiben einen immer wieder nahe an den Selbstmord.
Jason Ricci weiß, wovon er hier singt, krächzt und schreit: Das Leben ganz unten hat er immer wieder kennengelernt, hat sich den Drogen hingegeben und die Gefängnisse auch von innen gesehen. Erst seit er in New Orleans einen regelmäßigen Job gefunden hat, war da auch wieder Raum, die Erlebnisse in Musik zu verarbeiten. Und er stürzt sich mit seiner Band kopfüber hinein in einen musikalischen Wirbel scheinbar endloser Songs.
Er reißt vor unseren Ohren sein Inneres auf, erzählt von der Suche nach Halt und Gewissheit in persönlicher, finanzieller und sexueller Hinsicht. Allein der Song „Broken Toy“ bringt hier mehr Power auf, als ganze hochpolierte Alben.
Die Musik ist Blues, ist dreckiger Funk, ist harter Rock. Und sie ist psychedelisch im ursprünglichen Sinn. Der Voodookult von New Orleans ist immmer wieder zu erahnen. Manchmal könnte man die Musik beschreiben als Weiterführung des jungen Dr. John aus dem Geiste des Punk. Wobei einen die Harp von Ricci immmer wieder aus solch billigen Klischees herausreißt. Wie er sein Instrument dazu bringt, die zerrissenen, chaotischen, gewalttätigen Innen- und Außenwelten zu illustrieren, das ist schlichtweg atemberaubend. So extrem hat in den letzten Jahren niemand mehr die Harp an ihre Grenzen und weit darüber hinaus geführt. Und das nicht, um seelenlose Virtuosität zu präsentieren sondern schlicht als Mittel, die Seelenqualen zu schildern und zu überwinden.
„Approved By Snakes“ ist eines der ehrlichsten, brutalsten und großartigsten Alben, die im Umfeld des Blues seit Jahren erschienen sind. Es ist keine Scheibe für die gepflegte Unterhaltung. Es ist ein Album für Menschen, die von Kunst auch erwarten, dass sie einen an die eigenen Grenzen führt und somit neue Sichtweisen und emotionale Welten eröffnet.