Offiziell ist Blunderbuss das Solodebüt von Jack White. Doch mit gleichem Recht ist es die Fortsetzung der Geschichte der Bands wie den White Stripes, den Raconteurs oder Dead Weather aus Sicht des einzigartigen White. Und es ist ein großartiges Rockalbum über die Schmerzen der verloren Liebe.
„One good rock-show can change the world“, meint Jack Black in „School of Rock“. Und er hat ja dermaßen recht. Und auch ein großes Rockalbum kann Dinge ändern. Vielleicht nicht gerade die Welt, aber doch das eigene Leben. Das des Künstlers ebenso wie das des Hörers. Nur sind wir in den letzten Jahren vielleicht zu erwachsen geworden, um einem Rockalbum noch so eine Chance einzuräumen. Ist doch alles schon mal da gewesen. Jedes Riff klingt wie tausendmal gehört, jeden Rhythmus hat man schon hunderte Male mitgenickt. Und überhaupt: Warum hört man sich das alles überhaupt noch an?
Ehrlich: Ich hatte längst die Lust verloren, dem vielfältigen Wirken von Jack White überhaupt noch Aufmerksamkeit zu schenken. Zu wenig erreichten mich seine Songs, die mit The Dead Weather oder den Raconteurs entstanden waren. Es fehlte irgendwie das Herzblut darin, das selbst die schwächeren Nummern der White Stripes durchpulste. Es fehlte die schiere Freude an einer lauten Party ohne Sorgen, wie er sie mit Wanda Jackson im Studio veranstaltet hatte. Und jetzt das: Blunderbuss ist ein so verdammt perfektes Rockalbum, dass man all das sofort vergessen will. Da ist der verspielte Charme der White Stripes, da ist Rockabilly und Country, da ist Wut und Sentimentalität, da ist der Blick in die Rockgeschichte zwischen den Sunstudios und Bob Dylans „Blonde On Blonde“ und der Krach der heutigen Garagen. Und das alles passiert auf einem Album. Und manchmal passiert es gar in einem Song. „I’m Shakin'“ etwa mit seinen Frauenchören, dem Rock&Roll-Feeling und den Verzerrungen in Gitarre und Gesang. Das ist schon fast genial in seiner Synthese der letzten Jahrzehnte der Rockgeschichte.
Und Jack White macht sich in Songs wie „Sixteen Saltines“ oder dem schmerzhaft schönen Titelsong seelisch erkennbar, wie man ihn hinter all dem gewollten Stil der White Stripes kaum sehen konnte: Er kämpft mit dem Image in Rot Weiß und Schwarz, schreit sich die Schmerzen von der Seele, die die Trennung von seiner Frau hinterlassen hat: Einvernehmliche Trennung? Sowas gibt es nicht, wenn da die große Liebe kaputt geht. Da helfen auch fröhliche Scheidungsparties nicht. Es fehlen ganze Teile des Körpers. Und irgendwann wird man dann sogar bitter, beklagt die modernen Frauen mit all ihrer Kraft und Selbstständigkeit, die einen einfach verlassen können. Wie schön war das doch damals… „I Guess I Should Go to Sleep“ singt White. Doch sein Schlaflied ist eher ein Zirkuswalzer, als dass man sich damit in den Schlaf wiegen könnte. Zirkus: laut, grell – aber voller Sehnsucht. Sehnsucht danach, dass einen die Geliebte eben doch nicht zurücklassen möge. „Take Me With You When You Go“ so der flehentliche Wunsch zum Ende. Ein Wunsch, ein Traum, doch ein versöhnlicher Ausklang. „Blunderbuss“ – großartiges Album. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.