T: In einer CD-Ankündigung war zu lesen, es habe vier Jahre gedauert, bis eine neue CD von dir veröffentlicht wurde. Dies klingt in meinen Ohren fast vorwurfsvoll, dass Bluesmusiker in Deutschland jedes Jahr eine neue CD zu veröffentlichen haben.
J: Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, dass es schneller zu einer Veröffentlichung gekommen wäre, denn der eigentliche Plan war, nach zwei Jahren eine neue CD herauszubringen. Aber wie das immer so ist, aus den verschiedensten Gründen kommt es dann immer mal wieder zu Verzögerungen. Obwohl wir bereits vor zwei Jahren mit den ersten Studiosessions für das Album begonnen haben, zog es sich dann doch etwas hin…
 

Torsten Rolfs im Interview mit Jimmy Reiter zu seiner neuen CD “Told You So”

T: Wie muss man sich eigentlich eine CD-Produktion der Jimmy-Reiter-Band vorstellen?
J: Die erste CD „High Priest of Nothing“ entstand z.B. in mehreren Studiosessions, mit der jeweiligen Besetzung, die gerade an dem Tag im Studio war. Deswegen sind auf dieser Scheibe ganz unterschiedliche Besetzungen dabei. Die neue Platte ist komplett mit meiner festen Band entstanden. Die eigenen Stücke habe ich zumeist alleine komponiert, Demos aufgenommen und dann im Heimstudio mit der Band zusammen arrangiert und ausprobiert. Die Aufnahmen für die CD wurden in drei Sessions zu jeweils zwei oder drei Tagen im Studio gemacht. Im Anschluss daran folgten noch ein paar Tage mit Overdubs – Gesang, mal ein Klavier, die Bläser dazu, aber eigentlich sind die Stücke größtenteils live eingespielt. Und dann noch mischen – schon fertig!

T: Wie viele Takes macht ihr so, bis die Aufnahme steht? Auf einer CD von James Harman hört man z.B. am Anfang „Take three, Tapes rollin`“.
J: Na ja, schön wäre es, wenn es gleich beim ersten Take passen würde, aber die Regel sind drei bis vier Takes – wenn‘s dann noch nicht geklappt hat, wird das an dem Studiotag erfahrungsgemäß sowieso nichts mehr oder aber es stimmt etwas Grundlegendes mit dem Stück nicht und es muss überarbeitet werden. Mit der modernen Technik lassen sich dann ja auch kleinere Änderungen und Korrekturen später noch vornehmen, so dass man nicht wie früher 20 oder 30 Takes machen muss, bis alles perfekt ist.

T: Kommen wir doch mal zu den Stücken auf der CD. Mir ist aufgefallen, dass sowohl auf High Priest of Nothing als auch auf Told you so in jeweils einem Stück von Nitty Gritty die Rede ist. Und beim genauen Betrachten stellte ich fest, es sind beide Stücke von Luther „Snake Boy“ Johnson. Wie bist du auf ihn gekommen?
J: „Snake Boy“ Johnson habe ich vor fünf, sechs Jahren für mich entdeckt. Er ist hierzulande gar nicht so bekannt. Er war eine Zeit lang in der Band von Muddy Waters und hat auch ein paar Soloaufnahmen gemacht. Die habe ich gehört und sie haben mich gleich total umgehauen, deswegen auf der ersten Platte Get Down To The Nitty Gritty – Lass uns mal ans Eingemachte gehen – und jetzt hier Woman Don‘t Lie. Zunächst war ich mir gar nicht sicher, ob das klappt, aber wir haben es dann ausprobiert, und ich finde es ist richtig gut geworden. Dass die Textpassage in beiden Nummern vorkommt, ist Zufall. Vielleicht hatte Herr Johnson ein Faible dafür.

T: Und dann ist da ja noch ein Stück von einem anderen Luther Johnson, nämlich Luther „Guitar Junior“ Johnson drauf.
J: Ja, noch ein lustiger Zufall. Der spielte auch einmal in der Band von Muddy Waters und einer meiner Gastmusiker auf der CD, Sax Gordon Beadle, gehörte übrigens mal zur seiner Band. Es gab noch einen dritten Luther Johnson, nämlich Luther „Houserocker“ Johnson, vielleicht hätten wir von dem auch noch was aufnehmen sollen, um noch mehr Verwirrung zu stiften.

T: Kommen wir zu deinen eigenen Stücken – Folgen diese einer stilistischen Vorliebe?
J: Ja, meiner! Ich möchte Stücke komponieren, die mir selbst Spaß machen beim Aufnehmen und Vortragen und da ich mich für verschiedene Musikstile interessiere, spielt das alles mit hinein, wobei der Schwerpunkt schon Blues, Bluesverwandtes, R´n´B, New Orleans ist.

T: Deine Stücke fallen mir auf, weil sie oft nicht dem traditionellen 12-Takt-Bluesschema folgen? (Ein kleiner Ausflug in die Musiktheorie auf Wunsch des Fragenden.)
J: Bei dieser Platte habe ich wieder festgestellt, dass es gar nicht so leicht ist, interessante Stücke nach diesem scheinbar einfachen Schema zu komponieren. Aus diesem Grund kommt anstatt der vierten und fünften Stufe eben mal die dritte oder sechste, aber das ist ja auch alles kein Hexenwerk.

T: Na ja kein Hexenwerk, ich finde es spannend und reizvoll, wenn das klassische Schema verlassen wird. Das macht für mich Entwicklung im Blues aus, bedeutet für mich einen Aha- Effekt, das finde ich so toll.
J: Es freut mich sehr, wenn es dir gefällt.

T: Ist Blues für dich nur immer Herz-Schmerz-Musik? Oder wovon handeln Deine Texte?
J: Oh nein, ich freue mich immer, wenn ich einen Text höre, der mich zum Schmunzeln bringt, wo sich jemand lustige Gedanken gemacht und diese in Reime gepackt hat, mit einem Augenzwinkern eine Geschichte erzählt. So etwas Ironisches und Selbstironisches, das habe ich ja auch schon bei I‘ll Take The Easy Way auf High Priest of Nothing versucht und auch auf der neuen CD finden sich einige Beispiele für diese Vorliebe. Herzschmerz-Songs gibt’s aber auch. Ich will nicht mit meiner Musik belehren oder politische Botschaften und Ansichten vermitteln. Unterstützung bei einigen Texten habe ich übrigens von meinem alten Bandchef Doug Jay erhalten, der zwei Stücke mitgeschrieben hat. Als besonderen Service gibt es jetzt auf meiner Homepage alle Texte zum Nachlesen. Ich nutze diesen Service häufig, weil ich meine Texte auch gerne mal vergesse!

T: Kannst du dir vorstellen auch deutsche Texte zu machen?
J: Blues ist amerikanische Musik und mit deutschen Texten klingt es für mich nicht mehr wie Blues. Es gibt Leute, die tolle deutsche Texte für diese Musik schreiben, aber es ist dann nicht mehr „meine“ Bluesmusik. Wäre es mit französischen oder italienischen Texten übrigens auch nicht.

T: In deinem zurückliegenden Programm hast du den unsäglichen Werbeslogan deiner Heimatstadt „Ich komm´ zum Glück aus Osnabrück“ zitiert. Welche Rolle spielt deine Heimatstadt für deine Entwicklung als Bluesmusiker?
J: Ohne diesen Standortvorteil wäre ich womöglich gar nicht Musiker bzw. Bluesmusiker geworden. Seit Anfang oder Mitte der 90er Jahre bin ich regelmäßig ins Pink Piano gegangen, einer kleinen Kneipe mit einer wöchentlichen Blues-Session, wo immer alles, was Rang und Namen in der Gegend hatte, auflief. Da habe ich meine ersten Blues-Erfahrungen gesammelt und Kontakte geknüpft.

T: Du hast lange Zeit mit Doug Jay, der aus Washington D.C. nach Osnabrück kam, zusammen gearbeitet. Welche Rolle spielte Dougs Rückkehr in die Staaten 2009/2010?
J: Das hat schon die Entstehung einer eigenen Platte vorangetrieben. Ich hatte schon reichlich Material und der Wunsch etwas Eigenes zu machen war schon frühzeitig da, aber das schob ich immer wieder raus, da wir mit Doug immer regelmäßig auf Tour und gut beschäftigt waren. Auch in der Bluesnightband, in der die Begleitung anderer Frontleute im monatlichen Wechsel im Vordergrund stand, war kaum Raum für Eigenes. Und so verfestigte sich der Gedanke, ein Soloprojekt auf die Beine zu stellen, was ja mit der ersten Platte gut geklappt hat.

T: Im Projekt Bluesnightband hast du viele Musiker begleitet und im monatlichen Wechsel in verschiedenen Städten wie u.a. Osnabrück, Emsdetten, Delmenhorst Konzerte gemacht. Welche Musiker waren dir dabei am wichtigsten?
J: Ich habe sehr gerne mit R.J. Mischo und Darrell Nulisch zusammengespielt, das waren Bluesnights, an die ich mich gerne erinnere, mit Larry Garner hat es viel Freude gemacht, Sax Gordon war schon ein Knaller. Wir hatten viele tolle Gäste.

T: Das Durchschnittsalter des Publikums bei Blueskonzerten ist m.E. schon sehr hoch. Wie bekommt man junge Leute dazu, in Blueskonzerte zu kommen?
J: Es ist wichtig, dass die Musik von jungen Leuten entdeckt und gespielt wird, wie z.B. die jungen Musiker, die regelmäßig zur Lagerhallen-Session kommen, dem Nachfolger der bereits erwähnten Pink Piano Session…
T: … wie z.B. die Musiker der Bluesanovas …
J: … ja genau, und die bringen auch Freunde mit, die dann Blues hören und regelmäßig wieder kommen. So verjüngt sich das, zumindest ist das meine Hoffnung.

T: Kommen wir noch einmal zur CD. Das Cover, auch dieses wie bei der ersten Platte gestaltet von Jan Karow, zeigt ein kleines grünes Wesen. Was hat es damit auf sich?
J: Am Ende der Konzerte kommen oftmals interessierte Gitarristen und fragen, wie ich eigentlich meinen Sound machen würde. Denen sage ich immer „Gitarre, Kabel, Verstärker. Das ist offenbar unbefriedigend, weil die sich gerne über Effektgeräte und verschiedene Lautsprecher unterhalten wollen. Davon habe ich aber leider keine Ahnung! Meine Gitarre und mein Verstärker sind alles, was ich brauche bzw. halbwegs bedienen kann. Naja, und für diese Menschen habe ich mir überlegt zu sagen, dass hinter meinem Amp ein kleines, grünes, außerirdisches Wesen sitzt, das mit einem Megaphon meinen Sound macht, in der Hoffnung, das sich das spektakulärer anhört als „Gitarre, Kabel, Verstärker“… Und das haben wir auf dem Cover aufgriffen. Ich hab‘s euch ja gesagt – I Told You So. Ist doch vollkommen logisch!

T: Aha!
J: Mir gefällt das Cover sehr gut und es ist auch ein Kunstwerk für sich, und die Leute sprechen drüber. Da hat sich Jan Karow mal wieder selbst übertroffen.

T: Wenn man das Cover öffnet, sieht man deine Band – Jasper Mortier am Bass, Björn Puls am Schlagzeug und Moritz Fuhrhop an Orgel und Klavier. Wie wichtig ist es dir deine eigene feste Formation zu haben?
J: Total wichtig! Ich spiele gerne mit anderen Musikern, z.B. auch auf Sessions zusammen, aber dann meistens nicht das eigene Repertoire. Aber wenn ich sage meine eigenen Stücke, muss ich eigentlich sagen unsere Stücke, denn obwohl ich schon die meisten Stücke selbst komponiere, werden sie mit der Band arrangiert, geprobt und aufgenommen. Sie entstehen also mit der Band gemeinsam! Es ist schon etwas Besonderes, dass wir in der Formation über die Jahre mit eigenen Songs unseren eigenen Sound entwickelt haben.

T: Was schätzt du an jedem Einzelnen so besonders?
J: Mo ist ein wahnsinnig musikalischer Mensch, er hat ein super Gefühl für die Musik, tolle Ideen und groovt unglaublich. Jasper ist wie der Fels in der Brandung, unfassbar solide, durch nichts aus der Ruhe zu bringen und hat einen Supergroove – das kann ich sowieso für alle drei sagen, und sie grooven v.a. zusammen besonders. Jasper hat außerdem einen tollen Ton. Björn hat Jazz studiert, schlägt sich aber immer geduldig mit uns einfachen Bluesleuten herum. Er probiert viel aus, kommt mit vielen Ideen, von denen wir bestimmt auch schon mal eine umgesetzt haben. Nein, im Ernst, Björn ist total vielseitig und spielt super banddienlich, der perfekte Mann für unsere Band. Björn und Jasper sind übrigens auch hervorragende Backgroundsänger! Alle drei Bandkollegen haben immer konstruktive Meinungen zu unserer Musik und es macht einfach Spaß, mit ihnen unterwegs zu sein, was ja auch nicht ganz unerheblich ist. ‚Ne super Band eben!

T: Zu den Gästen auf deiner CD –
J: Da ich Anfang des Jahres 2015 mit Sax Gordon auf Tour war, klappte es wunderbar, dass er bei einigen Stücken auf der CD mitspielen konnte. Er ist ja auch schon auf der letzten Platte dabei gewesen. Und Kollege Kai Strauß ist auch mit von der Partie. Ich spiele häufig bei verschiedenen Gelegenheiten mit Kai und habe auf seiner letzten CD mitgewirkt. Der Titel „Instinctively Wrong“ war Kais Idee und ich habe dann das Lied dazu komponiert, so war das ziemlich logisch, dass er mit dabei ist. Zumal wir beide aus der Osnabrücker Szene stammen, und ich es immer klasse finde, wenn man sich in dieser Form gegenseitig unterstützt. Auf meinem ersten Rock´n´Roll Stück “The Only Thing That‘s Wrong With You (Is Him)“ ist Kai auch zu hören, das kann auch echt kaum jemand besser spielen als er.

T: Abschließend noch die Frage zu den Vermarktungsmöglichkeiten. Wie schätzt du ein, wie sich CD- Verkäufe entwickeln.
J: Ich glaube, dass unsere Musik noch von Menschen gehört wird, die auch CDs kaufen. Der Download-Anteil war bei der ersten CD eher überschaubar. Über Spotify und Co. ärgere ich mich immer – wenn man für lächerliche 10€ im Monat immer und überall Zugriff auf die ganze Musikgeschichte hat, welchen Wert hat die Musik dann noch? Die Antwort will man lieber nicht hören… Wenn man als Künstler weiß, wie viel Arbeit, Zeit und Geld man für ein Album aufwendet, kommt man sich bei den Streaming-Vergütungen völlig veralbert vor. Ich bin auch tatsächlich noch nie auf die Idee gekommen, einen Streaming-Dienst zu nutzen, das ist mir irgendwie völlig fremd – wenn mir Musik gefällt, will ich sie mir kaufen und eine CD ins Regal stellen, ganz einfach. Ich hoffe, da bin ich nicht der einzige, aber auf Konzerten zumindest verkaufen wir nach wie vor viele CDs, und für die neue CD gibt es auch bereits etliche Vorbestellungen.

T: Zur allerletzten Frage: Welches ist für dich das wichtigste Stück auf der Platte?
J: Ich finde, I‘m Givin‘ In ist uns gut gelungen. Das hat auch lange gebraucht, fast zwei Jahre. Es tauchte immer wieder beim Komponieren auf, mit Doug Jay habe ich dann den Text geschrieben. Eine Ballade vom Aufgeben… das wird kein Hit, ist einfach ein schönes Stück. Aber auch Instinctively Wrong und das „poppigere“ Can‘t Stop Thinking About You gefallen mir… es gibt dann doch viele wichtige Stücke.
 

T: Vielen Dank Jimmy für dieses interessante Gespräch, ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute und einen einschlägigen Erfolg für die Platte!