Gnter Discher in Fuhlsbüttel (Quelle: http://www.die-unwertigen.de/)Er wird gern als Deutschlands ältester DJ angekündigt. Der 1925 geborene Günter Discher ist auf jeden Fall einer von Deutschlands anerkanntesten Swing-Experten. Am 20. März konnte er seinen 85. Geburtstag feiern.
Seine Liebe zur Swingmusik brachte Discher 1942 ins Jugend-KZ Mohringen. Er hatte Swingplatten, die ihm befreundete Soldaten aus Dänemark geschickt hatten, an Freunde in Hamburg verkauft. Dann war er denunziert worden.

Heute ist Discher vor allem als Herausgeber seiner eigenen CD-Reihe zur Geschichte des Swing und verwandter Musik ein bekannter Name in der Szene. Mittlerweile sind beim Label Ceraton 28 CDs unter seinem Namen erschienen. Viele wurden als Bonus mit Anmerkungen des langjährigen Radio-DJs zur Geschichte der Künstler versehen. Wir veröffentlichen hier ein Interview, das Ceraton zur Verfügung gestellt hat.

Herr Discher, Sie sind also leidenschaftlicher Sammler von Swing-Platten.

Ja. Jeder Sammler hat ja einen großen Tick, ob das ein Briefmarkensammler oder ein Münzensammler ist. Und so sind wir Schallplattensammler auch, wir haben… irgendwo sind wir krank!

Wie viele Platten besitzen Sie denn?

Ich habe in meiner kleinen Wohnung eines der größten Swing-Platten-Archive der Welt. Es stapeln sich rund 25 000 Schellack- und Schallplatten. Dazu noch etwa 10 000 CDs. All diese raren Schätze aus den 30er bis 50er Jahren, die ich mit der Zeit gesammelt habe, möchte ich auch der Öffentlichkeit mit meiner eigenen CD-Edition wieder zugänglich machen. Ich freue mich, dass das Label Ceraton mir die Möglichkeit dazu gegeben hat.


Das ist ja eine ganze Menge! Sie haben aber erst im Rentenalter begonnen, Ihre Sammlung auch als DJ zu nutzen. Welche Platten legen Sie auf?

Ich spiele nicht nur Swing, sondern auch Rumba und nach 12 Uhr nachts auch mal Hawaii-Musik zum Kuscheln, wie man das halt so macht. Meine Disko ist vielseitig. Ich gehe aber nicht mit den Fingern an die Platten ran, um das Tempo zu korrigieren, so wie meine jüngeren Kollegen. Ich spiele die Platten so, wie die Komponisten das wollten. Und das gefällt Jung und Alt. Bei mir kommt ein Kontakt zwischen den Generationen zustande, den es früher nicht gegeben hat.

Würden Sie auch sagen, dass Ihre CD-Edition ebenfalls etwas für Jung und Alt ist?

Ja, auf jeden Fall!

Was ist sonst noch so Besonders?

In meiner eigenen Serie – der Günter Discher Edition – stelle ich ja verschiedene Swing- bzw. Schlagerkünstler aus den 20er bis 50er Jahren vor. Oder ich vereine unter einem bestimmten Thema, zum Beispiel „Gassenhauer“, die schönsten und interessantesten Stücke.
Besonders ist dabei, dass es dazu meistens noch ein Interview gibt, in dem ich das Thema oder den Künstler näher erläutere. Bis jetzt wurden mit dem Label Ceraton bereits 28 CDs unter dieser Edition veröffentlicht. Von den Lecuona Cuban Boys, über Benny Goodmann, bis hin zu Juan Llossas oder Evelyn Künneke.

Herr Discher, Sie erwähnten bereits einige Bands und Künstler aus der damaligen Zeit.
Was hörten Sie damals am liebsten?

Auf unseren Grammophonen liefen sehr viele verschiedene Schellack-Platten. Ich besaß bevor ich verhaftet wurde schon etwa 400 Platten. Uns hatten es besonders die Bigbands von Count Basie, Nat Gonella und Louis Armstrong angetan. Nat Gonellas „He ain’t got rhythm“ war übrigens meine erste Platte. Und in meiner eigenen CD-Edition habe ich seine schönsten Stücke auf einer CD verewigt. Er war auch unter uns Swing-Boys äußerst beliebt. Ich würde sogar sagen, er war der absolute Liebling.


Aber erstmal mussten Sie sich die Schallplatten besorgen. Wie haben Sie das gemacht?

Aufgrund der Materialknappheit musste man damals für jede neue Platte, die man kaufte, zwei alte abgeben. So landeten etliche der begehrten Scheiben beim Händler. Wir haben uns dann die raren Stücke ausgesucht und dem Händler im Gegensatz vier alte gegeben.

Sie haben es ja auch geschafft Platten aus dem Ausland zu bekommen…

Ja genau, ein anderer Weg führte über einen befreundeten, in Dänemark stationierten Soldaten. Dort gab es ein vergleichsweise paradiesiches Sortiment. Da der Soldat meine Leidenschaft für Swing teilte, schickte er mir die begehrten Scheiben nach Deutschland. Und weil da „Herespost“ drauf stand, durfte die Gestapo das nicht öffnen.


Wie ging es nach dem KZ weiter? Wollten sie das Thema erst einmal ruhen lassen?

Nein, das Nazi-Regime konnte meine Liebe zum Swing nicht brechen.

Also haben Sie ihre Sammlerleidenschaft von Swing-PLatten sofort weiter verfolgt?

Ja, aber nach dem Krieg war alles futsch. Das Haus, in dem ich meine Sammlung vor meiner Verhaftung untergebracht hatte, war ausgebombt worden. Ich hatte nur noch eine Platte übrig, „Teddy Stauffers große Bühnenshow“, die ich verliehen hatte, aber wohlbehalten zurückbekam. Daher war das nicht nur irgendeine Platte für mich. Auch deshalb habe ich eine CD mit seinen besten Stücken produziert. Ich finde, seine Stücke müssen auch in der Zukunft jedem zugänglich sein, denn sie versprühen den Duft der großen, weiten Welt.

Den Duft der großen, weiten Welt hatte ja auch ohne Frage Glenn Miller. Was verbindet Sie mit Glenn Miller?

Glenn Miller war auch einer der ganz Großen! Ich habe ja sein gesamtes musikalisches Lebenswerk gesammelt. Dazu gehören alle veröffentlichten und unveröffentlichten Platten, Radiomitschnitte, Bücher und Biografien. Dann noch seltene Videos und Filmaufnahmen aus den USA. Er war ein großartiger Komponist und hatte einfach diesen einmaligen Sound. Das habe ich auch auf einer CD-Produktion untergebracht. Darauf hört man neben den Klassikern wie „Chattanooga Choo Choo“ und „In The Mood“ auch einige sehr seltene Raritäten aus meinem Fundus wie zum Beispiel „Anvil Chorus“. Dieser Titel und der „Buggle Call Rag“ gehören ja zu meinen Lieblingsstücken.


Herr Discher, vielen Dank für das Gespräch!

Es geht nichts über zufriedene Gäste.