Bluessängerinnen und -sänger waren schon seit der Entstehungszeit dieser Musik mehr als nur Entertainer. In der Tradion der Griots in Westafrika waren und sind sie gleichzeitig die Bewahrer der Geschichte ihres Volkes, Ermutiger und Prediger. Als Eric Bibb 2018 sein Doppelalbum „Global Griot“ veröffentlichte, war die Musik – trotz Beteiligung von Kollaboratoren aus aller Welt, der von Bibb bekannte sehr zivilisierte und polierte Folkblues. Die politischen Ansprüche versteckten sich hinter einer Musik, die zu sehr zum Wohlfühlen einlud, als dass sie zum politischen Kampf aufrief. Ganz anders das neue Album „Griot“ von Gaye Adegbalola.
Nichts hat sich geändert im Vergleich zu den 40er und 50er Jahren. Klar gibt es die Bürgerrechte. Aber wer sich darauf beruft, erlebt in aller Härte den alltäglichen Rassismus. Und seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, werden Vorurteile und Denkweisen wieder salonfähig, die man längst überwunden glaubte. „Nothing Has Changed“, der Opener von „Griot“ ist eine bittere Abrechnung mit der Gegenwart. Hier ist eine wütende Predigerin zu hören, die der Gemeinde die Leviten liest, gleichzeitig auch eine Kämpferin gegen das Unrecht. Andere Songs rechnen ab mit den alltäglichen Lügen, die man so gern als alternative Fakten beschönigen möchte, mit Gewalt gegen Frauen, mit Umweltverschmutzung und anderen höchst aktuellen Themen.
Musikaisch serviert Adebgalola in einem mitreißenden, humorvollen und höchst tanzbaren musikalischen Gewand. Denn so haben die Botschaften die Chance, Menschen wirklich in jedem möglichen Sinn in Bewegung zu setzen.
Geboren wurde Adegbalola als Gay Todd am 21. März 1944 in Fredericksburg (Virginia). Schon in der Kindheit kam sie im Elternhaus sowohl mit der Musik als auch dem Kampf um die Bürgerrechte in Berührung. Ihr Vater war war Jazzmusiker und das erste farbige Mitglied der Erziehungsausschusses seiner Heimatstadt. Ihre Mutter organisierte Veranstaltungen der Bürgerrechtsbewegung in Virginia und versorgte sie mit Jazzplatten.
Als sie 1961 die Highschool abschloss, da hatte sie schon an zahllosen Sit-Ins und Streiks teilgenommen. Nach dem Biologiestudium arbeitete sie unter anderem in der Forschung an der Rockefeller University und als Bakteriologin am Harlem Hospital. Dort war sie gleichzeitig noch Vorsitzende der Gewerkschaftsgruppe. Zwischen 1966 und 1970 war sie auch Mitglied bei den Black Panther. In der Zeit nahm sie auch ihren Nachnamen Adegbalola an als Zeichen für ihren Stolz auf ihr afrikanisches Erbe. Der Name bedeutet soviel wie „Ich fordere meine Königlichkeit zurück“.
1970 zog sie von New York nach Virginia zurück und arbeitete als Lehrerin für Naturwissenschaften und gab Kurse für kreatives Denken für besonders talentierte Schülerinnen und Schüler. 1982 wurde sie als Virginias Lehrerin des Jahres ausgezeichnet.
1984 gründete sie gemeinsam mit ihrer Gitarrenlehrerin Ann Rabson Saffire The Uppity Blues Women. Aus dem Duo wurde später mit Earlene Lewis ein Trio. 1987 veröffentlichte die Gruppe auf dem eigenen Plattenlabel das Debüt „Middle Age Blues“. Danach wurde Adegbalola Vollzeitmusikerung. Und als 1990 das erste Album für Alligator veröffentlicht wurde, da begann die Weltkarriere dieser Frauen-Bluesband.
Daneben hielt sie Workshops und Vorträge über verschiedene Themen des Blues und arbeitete als Bluesreporter für die Sendung „World Cafe“ beim National Public Radio. 1999 dann, als Saffire weniger auf Tour gingen, veröffentlichte sie mit „Bitter Sweet Blues“ ihr Solodebüt. Darauf fanden sich mit ihren eigenen Songs wie „Big Ovaries, Baby“ oder „Nothings Changed“ Interpretationen von Liedern von Bessy Smith, Ma Rainey, Nina Simone oder Smokey Robinson.
Bis zur Auflösung von Saffire 2009 nahm sie sowohl mit ihren Kolleginnen als auch solo weitere Alben auf. „Griot“ fasst das musikalische und politische Wesen dieser großartigen Musikerin hervorragend zusammen. So ein Album, dass gleichzeitig traditionell und absolut zeitgemäß, politisch und humorvoll ist, ist ein wirkliche Pflichtkauf für jeden ernsthaften Bluesfan.