Schon seit Beginn seiner Karriere wird Gitarrist Gary Clark Jr. zwischen zwei Polen hin- und her gezogen: Auf der einen Seite ist der Gitarrenheld, der von den Konzertbesuchern für die Zukunft des Bluesrock gehalten wird. Gleichzeitig aber, und das kann man auf seinen Studioalben verfolgen, ist Clark ein Musiker, dem die Genregrenzen egal sind, wenn es darum geht, seine Geschichten zu erzählen. Auf „This Land“, dem dritten Studiowerk von Gary Clark Jr., findet sich wiederum eine Fusion aus Bluesgitarre, Funk, Reggae, Rock und gar ein wenig Punk.

Ich vermute mal, dass er die Bezeichnung „Zukunft des Blues“ langsam nicht mehr hören kann. Denn wer mit einem solchen Label agiert, meint meist wirklich nicht die Zukunft als Fortentwicklung, sondern als verlängerte Vergangenheit. Und für einen Bluesgitarristen heißt das: Über die Helden der Vergangenheit wie Stevie Ray Vaughan oder auch Jimi Hendrix hinaus kann man eigentlich nicht gehen. Totaler Schwachsinn natürlich! Denn wenn den Blues seit seiner Entstehung aus den diversen Wurzeln etwas ausgezeichnet hat, ist es die totale Offenheit für alle möglichen Einflüsse, die die Bluesmen in ihrer Umgebung hörten, oder die ihre Zuhörer wünschten.

Wer ein reines Bluesalbum hören will, braucht hier nicht mehr weiter zu lesen. Denn „This Land“ geht los mit analogen Synthiesounds, Reggae-Grooves und ähnlichen eigentich bluesfremden Zutaten. Doch die Geschichte mitten aus Trumps Land – basierend auf Erlebnissen des Künstlers im Umland von Austin, ist aktueller politischer Blues im besten Sinne: Eine Anklage gegen den alltäglichen Rassismus und die stolze Inbesitznahme des Landes (und letztlich von Woodie Guthries Hymne).

Auch Lieder wie „What About Us“, „The Govenor“ oder „Feed The Babies“ sind politische und soziale Kommentare zum Zustand der USA heutzutage. Andere Songs drehen sich um die Spannung zwischen Familienleben und der permanenten Abwesenheit des tourenden Künstlers, erzählen vom Streit ebenso wie von der Sehnsucht nach dem Ruhepol eines Familienlebens.

Mal gibt Clark hier den wütenden Rockgitarristen, mal lässt er seine Saiten begleitet von Percussion singen wie Santana wenige Jahre nach Woodstock. Immer wieder spürt man außerdem die Bewunderung für das musikalische Genie von Prince, der auch schon die Verbindung zwischen mainstreamtauglichem Funk und Gitarrenexplosionen a la Hendrix gesucht hatte. Und wenn es soulig wird wie etwa in „I Got My Eyes on You“ oder „Pearl Cadillac“, dann werden auch Freunde von Marvin Gaye oder Curtis Mayfield aufmerksam hinhören.

Nein: Ein Bluesalbum der klassischen Sorte wird man von Gary Clark Jr höchstens als Konzertmitschnitt bekommen. Im Studio lässt er seinen vielfältigen Vorlieben freien Lauf. Allerdings – und das ist meine Meinung – die Zukunft des Blues sollte genau so sein, so unvorhersehbar und so mitreißend, so ehrlich, so wütend, so sehnsuchtsvoll wie auch auf „This Land“. Für Musikfans ohne Scheuklappen ist das eines der bislang herausforderndsten und empfehlenswertesten Alben des Jahres 2019.