Es ist Freitag – heute passiert’s. So zumindest sangen Pankow. Doch das ist schon lange her, irgendwann vor der Wende. Heute weiß man zumindest in Greifswald nicht, ob denn an einem normalen Freitag wirklich was passiert, was einer Erwähnung wert wäre. Gegen Ende September findet seit paar Jahren an einem Freitag die Greifswalder Kulturnacht statt.Und schon allein auf Grund der vielen aktiven Teilnehmer sollte hier eine Erwähnung zwingend sein.

Also machte ich alter Nörgler mich trotz des kühlen Wetters auf in die City, wollte eigentlich nur mal auf dem Hof der Freiwilligen Feuerwehr vorbeischauen, weil dort das bunteste Angebot von gleich vier verschiedenen Bands versprochen wurde. Doch dann kam es doch anders…

Los ging’s auf dem malerisch-verfallenden Feuerwehrhof mit den Groovties, einer Bigband von der hiesigen Musikschule. Zwar beschwerten sie sich, als sie als Grufties angekündigt wurden, doch der Altersdurchschnitt der Truppe hätte auch diesen Namen durchaus verdient gehabt. Was aber nichts über die gebotene Musik aussagen will. Denn was die Groovties boten, war eine musikalische Reise (im Zickzackkurs und ohne konferierenden Reiseleiter) von den Street Parades in New Orleans bis hin zum Soul der 60er/70er Jahre.

Schon beim ersten Titel „Inside Out“ fühlte man sich als groovevernarrter Berufsnörgler gleich zufrieden: New Orleans-Groove zwischen Dirty Dozen Brass und einem munteren Posaunenchor. Weiter ging’s beispielsweise mit „I Heard It Through The Grapevine“ (großartige Fassung!), witzigen Anklängen an den Jazz der 20er Jahre bis hin zu totgecoverten Stücken wie „Rock around the clock“ oder „Tequila“. Und das war eigentlich der üble Schwachpunkt des Konzertes – ein Titel wie dieser darf nicht in Musikschulkultiviertheit dargeboten werden! Womit mir auch klar wurde, was mir bei den Groovties fehlte: der Mut zur wilden Improvisation und zur Show. Denn eine Brass Band wie diese muss einfach wild und ungezügelt sein, um die Zuhörer wirklich zu begeistern. Pausen zum Umblättern der Noten sind da wirklich blöd – oder sollten durch Ansagen überbrückt werden. Aber die Richtung stimmte schon mal.

Als die Groovties aufhörten, war der Hof gut gefüllt. Und es war langsam dunkel geworden. Die nächste Truppe war für mich ein Mysterium: Wer bitte ist die Echo-Combo? Auf die Antwort darauf musste man ein wenig warten, doch die musikalische Pausengestaltung war auch ganz witzig:

Oh Tannenbaum,
der Opa fällt in’n Kofferraum
die Oma macht die Klappe zu
der Opa schreit du dumme Kuh – sang ein Junge nonstop in Erwartung des Auftritts seines Opas.

Wenn wo wer mit dem Namen Combo agiert, dann kommen die Assoziationen sofort: sechziger und siebziger Jahre, echte Jeans und laute Mucke – die Andeutung von Gefahr und Rebellion ist damit heute nicht mehr wirklich verbunden, eher die allgemeine Sehnsucht nach einer guten alten Zeit.

5 ältere Herren, die diese Anklänge vom ersten Ton an bedienen. Wo gibt es heute noch eine Gruppe, die es sich traut, ihr Konzert gleich mit fünf Titeln der Shadows zu beginnen? Selbst der Strom protestierte dagegen – obwohl die flüssigen Gitarrenlinien durchaus sauber und flüssig daher kamen. Doch die Zukunft des Rock ’n‘ Roll klingt anders. Vor allem nicht so steril wie ein moderner Roland-Synthie. Wobei der desinteressiert sitzende und kaugummikauende Keyboarder durchaus ein witziges Statement zur allgemeinen Sucht nach der immer neuesten musikalischen Sensation gelten kann.

Und der Beginn als Instrumental-Combo im Stil der 60er – nach den Shadows kamen die Spotniks und wieder die Shadows, ist so außerhalb der Hörgewohnheiten, dass es schon wieder extrem cool ist. Und auch die ersten zwei gesungenen Titel – Proud Mary und You Never Can Tell (chuck berry) haben noch ihren Witz. Doch als dann ein Großvater beginnt, Sweet little Sixteen zu singen, musste ich gehen. Sowas geht nun wirklich nicht.

Nächste Station war Weiland – Jazz und Bücher sind offensichtlich eine beliebte Kombination. Und Herr Pasternak ist ein gepflegt swingender und auch vor Publikumswünschen (Love Me Tender) nicht zurück schreckender Saxophonist. Doch wenn schon, denn schon: Ballhaus Goldfisch hatte Swing mit einer Big Band namens Jugendtanzorchester Osnabrück angekündigt.

Das ursprünglich 1962 gegründete Orchester ist seit 2004 mit zahlreichen alten und paar neuen Mitgliedern wieder aktiv und hat sich dem zupackenden Swing verschrieben. Das Repertoire reicht von Glenn Miller bis hin zum Jazzrock der 70er – doch das Alter der Titel ist egal, weil überall der Swing durchklingt. Und auch der Spaß der Berufsjugendlichen mit schütterem Haar, eine Party zu feiern.

Wenn ich im Goldfisch fehl am Platze war, dann nur deshalb, weil ich überhaupt nicht tanzen kann. Neidisch blickte ich auf die sich füllende Tanzfläche. Manche Tanzpaare waren einfach traumhaft anzusehen, wie sie auf jeden Break sofort reagierten. Andere testeten vorsichtig paar neue Schrittfolgen. Doch selbst wenn diese daneben gingen – der Spaß war ihnen anzusehen. Auch wenn das Ergebnis eben noch nach Tanzstunde aussah und nicht nach wüster Swingparty im Stil der 20er/30er Jahre. „Spinning Wheel“ von Blood Sweat and Tears dürfte das „aktuellste“ der Stücke im Repertoire sein. Aber das ist eigentlich untanzbar. Und so ist es als reihenweises Scheitern der Tänzer ein seltsamer Schluss des Abends im Goldfisch.

Und die Basement Blues Band: Die konnte ich leider nicht mehr hören, weil sie pünktlich um 23 Uhr Schluss machen mussten mit ihrem Auftritt im Hotel Kronprinz. Und auch Speedys neue Band und die alten Folkheroen von Grassgrün verpasste ich leider. Und noch jede Menge anderer Musik. Bleibt das Warten auf weitere Freitage…