Benjamin von Stuckrad-Barre: Deutsches Theater
Verlag: Kiepenheuer & Witsch; Auflage: EA, (2001), Erweiterte Neuausgabe 2008
ISBN-10: 3462030507
ISBN-13: 978-3462030501
Manchmal sind die Kritiker ja geneigt, Benjamin von Struckrad-Barre dem Bereich der Literatur zuzurechnen. Doch damit tut man ihm wirklich unrecht. Jedenfalls dann, wenn man als Grundbedingung von Literatur die Durchdringung der Obeflächen von Orten, Personen und Zeiten ansieht. BvSB macht das ja eigentlich nie. Sondern er verkauft in seinen Texten die Oberfläche als das Eigentliche und Bemerkenswerte. Das kann man als Journalismus bezeichnen. Oder wahrscheinlich sollte man das auch.
Der 2001 erstmals erschienene und 2008 erweiterte Band „Deutsches Theater“ ist ein buntes Kaleidoskop deutscher Wirklichkeiten. Mit seinen Texten und Fotografien versucht er nichts weniger als eine Gesamtschau auf den Zustand des Landes an seiner buntschillernd inszenierten Oberfläche. Da spielt das Theater von Peymann und Schlingensieff ebenso eine Rolle wie Bundeskanzler oder andere Politiker, Rockmusiker wie Klaus Meine oder Westernhagen. Und auch Polizisten, Vermieter oder Pizzalieferanten. Stärke von Stuckrad-Barre ist dabei die klare und humorvolle Darstellung der Situationen, nicht das nachfragende Schürfen nach Motiven. In seiner Sicht ist dies für eine mediale Inszenierung der deutschen Verhältnisse ja auch nicht nötig: Alles ist Oberfläche, alles hat seinen klaren oder gebrochenen Glanz. Die Verhältnisse mögen zwar manchmal kritisch sein, doch wen interessiert das schon? Als Journalist liefert der Autor dem Leser genau diese Oberflächlichkeit, die er von den Medien mittlerweile erwartet. Und nur in einem Beitrag merkt man wirklich, wie brüchig die glänzende Oberfläche eigentlich ist. „Einzeltäter in der Lokalpresse“ ist einfach nur eine Collage aus Kurzmeldungen über rechtsradikale Straftaten, die einem in ihrer Vielzahl so nicht begegnen. Denn normalerweise hat jeden Tag höchstens eine Kurzmeldung davon Platz in der Zeitung, die unsere Wirklichkeit bestimmt. So aber wird deutlich, dass unter der Oberfläche dieses Landes eben wesentlich mehr los ist, als der Autor normalerweise schreiben würde. Leider scheint er sich in den Oberflächlichkeiten und Eitelkeiten äußerst wohlzufühlen. Und zum Glück haben die meisten Leser das auch schnell durchschaut und gehen zu anderen Texten über. Texte, die nicht nur abbilden, was eh vor Augen ist, sondern nach Gründen und Zusammenhängen fragen.