nichts umringte menschen mehr als menschen.
und nichts war giftiger für menschen als sie selbst.
wann trat ein mensch schon mal auf eine schlange?
wann biß ein hai einen menschen schon mal durchs ewige tor?
doch am eigenen giftzahn hing man immer, mürbte sich durch das sich wiederholende vorhandensein und wünschte sich, einmal von all diesen das dasein umringenden haken abzurosten, um zwischendurch in bodenlose glückseligkeit stürzen zu können.
doch wann war es schon mal soweit, und manchen menschen passierte es nie, weil sie einfach nicht konnten oder es nicht mal vor ihrem freitod zuließen, weil andere menschliche giftschleudern predigten: ’du mensch, das gehört sich aber nicht!’
und für selbstmörder gibt’s eh nur ’nen beschissenen platz auf’m friedhof, abgefallen, und kurz atmen ein paar menschen um ihn auf.
‚…er ist weg… endlich ist er weg…‘ die frau schmiß eine handvoll sand auf ihren rücken. der sand rieselte an ihren seiten runter, wie er es tun würde, fiele er auf einen sarg. vielleicht ein klein wenig anders, denn die frau war noch nicht glatt.
sie lag mit ihrem bauch im sand und fühlte sich nach jahren wieder frei. frei, wie ein maulwurf in seinen dunklen gängen, dem weit und breit kein mensch einen spaten über den schädel zog, wenn er mal frische luft aus seinem aufgewühlten haufen schnupperte.
nur schade, daß ein maulwurf irgendwie so blind war.
der mann sah sie liegen, im sand. strandsand. und überall die nackten ärsche. und er sah den sand auf ihrem rücken, fegeleicht. ‚doch wie komm ich unterm sand an die haut der frau?‘ und er stand da, sah an seinem pimmel runter und wußte plötzlich wie: „der sand auf ihrem rücken hat aber nicht den richtigen lichtschutzfaktor, oder für sie etwa doch?“ er versuchte zu lächeln.
die frau öffnete die augen, schaute langsam und etwas sonnengeblendet zur seite, sah zwei behaarte beine einen schatten werfen und stöhnte genervt ihren blick wieder weg.
„ist doch nicht der richtige lichtschutzfaktor, oder?“ setzte der typ wieder an. „ich hab ’ne gute sonnencreme da, kann ihnen den rücken eincremen, wenn sie es wünschen?“
„ich wünsch mir nichts, gehen sie zurück auf ihre decke“, gab die frau müde zurück.
„aber nackt am strand liegen…!“ hörte sie noch, und bei einem nächsten blinzeln war der haarige schattenmacher endlich wieder verschwunden, hockte mit angezogenen beinen auf seiner decke und schaute auf einen hintern in einer anderen richtung.
„warum hat man nicht mal zehn minuten vor den kerlen seine ruhe. ich will doch nur die sonne“, murmelte die frau leise vor sich hin, mochte in bruchstücken nicht wissen, daß gerade die sonne alles lebende zu ihren ficks formierte, nur die sonne allen mit ihrem zutun schon immer allen trouble erschuf. sogar im dunkeln.
die frau aß ihren obstsalat abwechselnd mit kuchengabel und teelöffel. stückchen einer kiwi, mango, banane, nektarine, mandel, ganze hasel- und walnüsse waren in der kleinen schüssel. im fernsehen flimmerte lilo wanders ‚wa(h)re liebe‘, und auf einer segelyacht pimperte ein kerl im stehen von hinten eine sich krumm machende und am geländer des bootes klammernde frau und winkte zeitgleich und freudig menschlichen felsenhockern in weiter ferne zu…
„die haben doch ’nen schuß“, sagte die frau und schaufelte sich eine haselnuß auf den teelöffel, schaltete auf ein anderes programm um und landete bei einem film namens ’signale – ein weltraumabenteuer‘, pikte mit der kuchengabel in ein stück kiwi, und bevor sie es in ihren mund stecken konnte, wurde es dunkel…
die ’signale‘ waren verschwunden und all das licht ringsum.
stromausfall.
die frau wartete, doch es wurde nicht wieder hell.
irgendwann kramte sie in schubfächern des küchenschrankes, fand nicht eine kerze, hatte sich an die dunkelheit gewöhnt und wußte, das ergrabbelte schächtelchen in ihrer hand waren schlaftabletten, und drückte abermals den lichtschalter. nicht einmal das gewohnte klacken der relais aus dem sicherungskasten im flur kam um die ecke, doch sie ertastete ein glas, öffnete den wasserhahn und spürte die schwere des wassers im sich füllenden glas. bevor sie sich zwei schlaftabletten rausdrücken konnte, klingelte das telefon. sie schaffte es im finstern übern flur, durch die hälfte des zimmers und bekam problemlos den hörer in die hand.
„ja?“
„was machst du denn so alleine?“ fragte die ihr nicht unbekannte männliche stimme.
„ich sitz im dunkeln“, antwortete die frau.
„immer noch? heiner ist doch schon seit monaten von dir weg…“
„was hat das denn damit zu tun? du weißt, ich brauche abstand und nichts neues, keine neue bescherung.“
„sitzt im dunkeln rum, na sag mal, brauchst du doch nicht“, lachte der mann, „ein wort von dir, und ich bin da. weißt doch, daß ich dich mag.“
„ach marcel…“, raunte die frau in den hörer.
„ein wort von dir“, wiederholte der mann.
„ist es nicht schon zu spät?“ fragte die frau.
„na hör mal, null uhr fünfzehn nennst du spät?“ wieder kam sein lachen bei ihr an. sie mochte sein lachen, es war kraftvoll und frei, und es erweckte jedesmal bei ihr den anschein, als könnte es noch dazu die welt mit all ihren unmöglichen anhängseln draußen lassen, sie einfach abschütteln.
„na dann komm halt, aber morgen früh bist du weg!“
wieder kam sein lachen bei ihr an, und dann ein schnelles klicken am anderen ende der verbindung.