„I might sing anything tonight“, meint Buddy Guy während des 2010 in seinem Club mitgeschnittenen Auftritts. So vermischt er klassische Nummern miteinander und lässt seine Gitarre mal wie Hendrix schreien, wie Clapton singen oder auch ganz lyrisch säuseln.
Wenn man Buddy Guy beim Heimspiel erleben will, dann muss man im Januar seinen Club Legends besuchen. Seit Jahren schon tritt er da fast täglich auf und er genießt dabei jegliche Freiheit. So auch 2010, als sieben Songs für das im Dezember 2012 in den USA veröffentlichte Album mitgeschnitten wurden.
Da gönnt er sich ausladende Solos bei Liedern wie „Damn Right I Got The Blues“ oder „I Just Want To Make Love To You“, um dann unvermittelt mit dem Publikum zu reden oder spontan in andere Lieder zu wechseln. Am witzigsten wird es, wenn er klar macht, wie man in England das Bluesspielen verändert hat: Da spielt er erst täuschend original Hookers „Boom Boom“, um dann eine Parodie von Clapton zu Cream-Zeiten abzuliefern. Und dann kann er es sich auch nicht verkneifen, Hendrix zu spielen – er ist der Einzige zur Zeit, der das wirklich kann. Und dann sind die sieben Titel auch schon vorbei.
Doch dann kommt eine große Überraschung: Gleich drei bislang unveröffentlichte Studioaufnahmen, die bei den Sessions zu „Living Proof“ entstanden, dürften für Guy-Sammler ein extra Kaufanreiz sein. Warum die Songs damals nicht aufs Album kamen, bleibt unklar. Denn „Polka Dot Love“, „Coming or You“ und „Country Boy“ sind intensiv und virtuos wie der Rest des damaligen Materials. Als „Zugabe“ zu einer Live-Aufnahme sind sie eigentlich zu schade. Aber es ist großartig, sie dennoch hören zu können. Denn diese damaligen Sessions haben eines der großartigsten Alben der jüngeren Bluesgeschichte hervorgebracht.